Anpassungsstrategien und ihre Grenzen

Dürre, Waldbrände, Überschwemmungen: Der Sommer 2017 verläuft in Europa in etwa so, wie er laut Prognosen in Zukunft normal sein wird. Anpassungen an die Klimaerwärmung sind sinnvoll - aber ab einem bestimmten Schwellenwert wohl vergeblich.

Diesen Schwellenwert hat die Politik im Pariser Klimaabkommen mit plus zwei Grad Celsius definiert: Sollten die weltweiten Durchschnittstemperaturen bis ins Jahr 2100 im Vergleich zur vorindustriellen Zeit nicht noch mehr steigen, sind die Folgen relativ „behandelbar“.

Zur Person

Daniela Jacob ist Meteorologin und Leiterin des Climate Service Center Germany (GERICS) in Hamburg. Sie ist Hauptautorin im 5. Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC und hat eine Gastprofessur an der Fakultät für Nachhaltigkeit der Leuphana Universität.

Das Szenario für Europa: Der Süden wird stark von Hitze und Trockenheit betroffen sein. Nördlichere Länder von Österreich bis Norwegen haben wiederum stärker mit Regen und Überschwemmungen zu rechnen. Wie sich diese Veränderung konkret auf die Wirtschaft, den Tourismus, die Gesundheit oder die Landwirtschaft auswirkt, hat ein Team um die Meteorologin Daniela Jacob, Leiterin des Climate Service Center Germany (GERICS) in Hamburg, auf einem interaktiven Webatlas dargestellt.

Das „neue Klima“ ist allerdings bereits Gegenwart: Während das Wasser in und um Rom etwa knapp wurde und mit starken Ernteausfällen zu rechnen ist, herrschte in Berlin kürzlich Hochwasser.

Zwei Grad Erwärmung ist „handhabbar“

Wenn es nach Daniela Jacob geht, wird sich an dem aktuellen Klima in den nächsten Jahrzehnten kaum etwas ändern. „Das heißt, halten wir bis zum Jahr 2100 bei den zwei Grad, wird nichts völlig Unerwartetes auf Europa zukommen.“ Es wird weiterhin lokale Dürren, Überschwemmungen und warme, trockene Winter geben. Diese Entwicklungen seien aber „handhabbar“, ist die Meteorologin überzeugt. Nur müssen sich die einzelnen Regionen rechtzeitig an die veränderten Gegebenheiten anpassen, meint Jacob.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 24.7., 13:55 Uhr.

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Das scheinen viele Regionen und Städte zu verstehen. Auch Berlin will nun etwa fünf Überschwemmungsgebiete ausweisen, in denen nicht gebaut werden darf. Andernorts, wie in Rotterdam, Kopenhagen oder Dresden, entstanden neue Hochwasserschutzbauten und erweiterte Kanalsysteme. „In den meisten Städten, so auch bei uns in Hamburg, wurde das Kanalsystem vor über einhundert Jahren für die damaligen Regenmengen gebaut. Platzregen, wie wir ihn heute erleben, können diese Systeme bereits nicht mehr abführen.“

In südlichen, zunehmend trockeneren Regionen wie Italien werden wiederum Wasserentnahme- und Verteilungssysteme neu überdacht. „Es stellt sich die Frage, ob in so einer Trockenperiode das Wasser nicht ausschließlich für den Obst- und Gemüseanbau sowie zum Trinken verwendet werden soll und alles andere temporär verboten gehört – wie etwa das Bewässern von Golfplätzen oder das Bereitstellen von unendlich viel Duschwasser in Hotels.“ Auch sollte man in diesen Gebieten zunehmend hitzeresistentere Nutzpflanzen anbauen, ergänzt Jacob.

Technologiegespräche Alpbach

Von 24. bis 26. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Das Thema heuer lautet „Konflikt & Kooperation“. Davor erscheinen in science.ORF.at Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bei den Technologiegesprächen vortragen oder moderieren.

Um die Veränderung voranzutreiben, stehen europäische Städte und Regionen bereits seit Jahren im Austausch, so Jacob. Das sei eines der größten Stärken Europas. "Bei einer Tagung berichteten einige Experten aus Kopenhagen, wie sie ihr Spital nun vor Hochwasser schützen, das vor wenigen Jahren beinah überflutet worden wäre. Nach dem Vortrag standen Kollegen aus Bukarest auf und sagten, „Genau so etwas brauchen wir auch. Wie habt ihr das gemacht? Wie habt ihr die Bürger eingebunden?" Das macht Europa aus.“

Kaum Anpassung bei mehr als zwei Grad

Fest steht jedoch auch: Erreicht man das Zweigradziel global nicht, werden die jeweiligen Anpassungsmaßnahmen - von Gründächern zur Abkühlung von Hitzeinseln in Städten, trockenresistenteren Getreidepflanzen bis hin zu neuen Kanalsystemen - nicht mehr ihren Zweck erfüllen können, mahnt Jacob. „Auch in Hamburg werden die Grenzen diverser Maßnahmen schnell deutlich. Vor den Toren Hamburgs gibt es nahe am Elbufer mit dem ‚Alten Land‘ ein großes Obstanbaugebiet. Durch den steigenden Meeresspiegel erhöht sich der Tidenhub und das Salzwasser gelangt weiter stromaufwärts. Auch in Trockenphasen mit geringem Abfluss wird die Brackwasserzone elbaufwärts verlagert. Damit wird die Nutzbarkeit von Elbwasser zur Beregnung stark eingeschränkt. Dadurch ist ein ganzer Wirtschaftszweig bedroht.“

In Österreich wiederum werden die Alpen bei einer globalen Erwärmung von drei Grad Celsius etwa komplett schneefrei sein, sagt Jacob. In diesem Fall helfe auch kein künstliches Beschneien.

Noch viel deutlicher wird die Notwendigkeit, die CO2-Emissionen zu reduzieren und somit die Erwärmung einzudämmen, beim Blick über die europäischen Grenzen hinaus. In der Arktis werden die mittleren Temperaturen bei einer globalen Zweigraderwärmung um mindestens vier Grad ansteigen. In Ländern wie Kongo oder Äthiopien werden sich hingegen sehr wahrscheinlich die Regenzeiten verschieben. „Hier besteht zwar noch weiter Forschungsbedarf. Bestätigt sich diese These weiterhin, hat das natürlich große Auswirkungen.“

Zudem sind Küstengebiete weltweit durch den steigenden Meeresspiegel und Stürme bedroht. „Aus diesem Grund haben sich ja die Staaten auf die zwei Grad geeinigt: Sie wissen, dass damit zwar schwere Klimafolgen einhergehen - katastrophale Veränderungen aber verhindert werden können“, mahnt Jacob.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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