Je genauer die Uhr, desto größer die Unordnung

Mit der Unordnung im Universum ist es so eine Sache - sie ist nicht nur omnipräsent, sie nimmt physikalisch betrachtet auch ständig zu. Ein Gedankenexperiment zeigt, dass das auch für das Ticken einer Uhr gilt.

Laut Zweitem Hauptsatz der Thermodynamik streben abgeschlossene Systeme, in denen physikalische Prozesse ablaufen, größter Unordnung zu, was als „maximale Entropie“ bezeichnet wird. Dabei geht nutzbare Energie quasi verloren. Auf unser Universum umgelegt, wäre das System dann zwar im Gleichgewicht, geordnete Strukturen, wie man sie etwa in unserem Körper findet, gäbe es dann jedoch nicht mehr.

Den Ausgangspunkt für die Überlegungen des internationalen Teams war die Frage, „wie kann ich beantworten, was Zeit eigentlich ist, ohne sie zu messen?“, so der Quantenphysiker Marcus Huber, der am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) forscht, im Gespräch mit der APA. „Das fundamentalste Instrument, um Zeit zu messen, ist natürlich eine Uhr. Armband- oder Computeruhren verbrauchen alle Energie in Form von Strom. Die Frage war, ob das ein unausweichliches Merkmal ist oder ob ich gewissermaßen eine Gratis-Uhr bauen kann, an der sich die Zeit ablesen lässt, ohne dass dabei Energie verbraucht wird.“

Auch die „beste Uhr“ braucht Energie

Die Wissenschaftler machten sich also auf die Suche nach der theoretisch „besten Uhr“, und kamen zu dem Schluss, „dass selbst die ‚beste Uhr‘ immer noch Energie bräuchte. Viel wesentlicher ist aber, dass für ihren Betrieb ein Teil der Energie - im Sinne von Entropie - einfach unwiederbringlich verloren geht. Das heißt, jeder Tick, den egal welche Uhr macht, mich sozusagen ein Stückchen Ordnung kostet“, so der Forscher. Und mehr noch: Je genauer eine Uhr tickt, desto mehr Energie verbraucht sie, und umso mehr Unordnung entsteht folglich durch die Uhr selbst, besagt das neue Modell.

Besonders interessant sei das Gedankenexperiment im Zusammenhang mit der Frage, woran man eigentlich festmachen kann, dass Zeit vorwärts und nicht etwa rückwärts läuft. Was für uns völlig klar ist, ist nämlich anhand physikalischer Parameter gar nicht so leicht festzumachen. Huber führt als Beispiel zwei Billardkugeln an, die zusammenstoßen und wieder perfekt elastisch voneinander abprallen. „Nehmen wir an, wir nehmen das auf Film auf. Je nachdem, ob man sich das vor- oder rückwärts anschaut, könnte man Vergangenheit und Zukunft nicht unterscheiden. Wenn aber alle Prozesse vor- und rückwärts genau gleich laufen, widerspricht das ja unserem konsistenten Verständnis davon, was früher war und was zukünftig sein wird“, sagt Huber. Sowohl Gesetze der klassischen Mechanik wie auch die oft sehr seltsam anmutenden Abläufe in der Quantenmechanik sind also „zeitumkehrinvariant“, wie es Physiker ausdrücken.

Die durchschnittliche stetige Zunahme der Entropie mit der Zeit sei eine der wenigen physikalischen Abläufe, anhand derer sich der Lauf der Zeit in die uns geläufige Richtung festmachen lässt. Huber: „Das ist eigentlich die einzige Erklärung für die Richtung des Zeitpfeils.“ Das werde zwar schon seit rund 100 Jahren diskutiert, das neue Modell zeige aber, „dass egal, wie gut ich meine Uhr bauen kann, die Entropie pro Tick mindestens um einen bestimmten Wert ansteigen muss, weil ich sonst Zeit nicht messen kann“, erklärt der Erstautor der Arbeit, Paul Erker.

science.ORF.at/APA

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