„Comammox“-Bakterien: Langsam, aber effizient

Die 2015 entdeckten Comammox-Bakterien sind ein wichtige „Spieler“ im für Mensch und Umwelt so wichtigen Stickstoff-Kreislauf. Laut Wiener Forschern „kauen“ sie zwar langsam, verwerten aber auch spärlich angebotene Ammonium-Nahrung äußerst effizient.

Vor allem durch die Nutzung von Düngemitteln in der Landwirtschaft beeinflusst der Mensch den Stickstoff-Kreislauf seit geraumer Zeit massiv. In Fachkreisen herrsche zwar weitgehend Konsens darüber, dass die Stickstoffverschmutzung der Erde als eines der größten Probleme der Menschheit zu betrachten ist. Trotzdem sei das Thema in der Öffentlichkeit kaum angekommen und viele Fragen von der Wissenschaft noch unbeantwortet, so der Mikrobiologe Michael Wagner vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien.

Durch menschliche Aktivitäten wird vielen Ökosystemen heute bei weitem zu viel Stickstoff zugeführt. Die Folge sind das Aussterben mancher Pflanzen-Arten, das „Kippen“ von Gewässern aufgrund von Überdüngung (Eutrophierung) oder die übermäßige Freisetzung des besonders effektiven Treibhausgases Distickstoffmonoxid (Lachgas), das auch der Ozonschicht schadet.

Nitrifikation in einem Schritt

Bei der Umwandlung von Stickstoff in seine verschiedenen Erscheinungsformen in der Biosphäre spielen Mikroorganismen eine Schlüsselrolle. Ein wesentlicher Teilschritt im Stickstoffkreislauf ist die Nitrifikation, die von „Nitrifikanten“ genannten Mikroben durchgeführt wird. Ausgangsstoff in diesem Prozess ist Ammonium (NH4). Dieses wird beim Zerfall abgestorbener Biomasse frei oder auf landwirtschaftlich genutzten Böden auch häufig als Dünger zugesetzt.

Zellen der Comammox Bakterien unter dem Elektronenmikroskop

Anne Daebeler und Stefano Romano

Zellen der Comammox Bakterien unter dem Elektronenmikroskop

Ammonium wird im ersten Schritt der Nitrifikation zunächst zum giftigen Nitrit (NO2) und dieses im zweiten Schritt schließlich zum etwas harmloseren Nitrat (NO3) oxidiert. Über 100 Jahren ging man davon aus, dass diese zwei Schritte arbeitsteilig von zwei verschiedenen Gruppen von Mikroorganismen durchgeführt werden: den Ammoniak-Oxidierern und den Nitrit-Oxidierern.

Hervorragender Futtersucher

2015 hat das Team um Wagner und Holger Daims erstmals ein „Comammox“-Bakterium (complete ammonia oxidizer) identifiziert, das beide Schritte alleine erledigt. In langwieriger Arbeit ist es ihnen nun gelungen, die weltweit erste Reinkultur dieser Mikroorganismen herzustellen und sie damit zu studieren. Von anderen Nitrifikanten unterscheiden sie sich laut den Forschern aus Österreich, Russland, Dänemark und Kanada vor allem hinsichtlich der Stoffwechsel-Effizienz: „Wenn ich also zehn verschiedenen Nitrifikanten die gleiche Menge an Nahrung vorsetze, hat der Comammox danach von allen am meisten Gewicht oder Biomasse zugenommen“, wie es Wagner ausdrückt. „Er kaut aber sozusagen langsam.“

Zusätzlich ist ein hervorragender Futtersucher: „Man könnte sagen, wenn in einem großen Raum nur ein Hamburger ist, dann findet er den.“ Fast alle anderen Nitrifikanten können das weniger gut, so der Forscher über den offenbar sehr genügsamen und damit anpassungsfähigen Organismus.

Geeignet für Kläranlagen

Mittlerweile habe sich herausgestellt, dass Comammox-Bakterien relativ häufig sind. Außer im Meer wurden sie bereits in zahlreichen Ökosystemen „auch in großen Zahlen“ nachgewiesen, sagt Wagner, der auch Anzeichen sieht, dass ihnen steigende Bodentemperaturen prinzipiell liegen und ihre Bedeutung in Zukunft daher zunehmen könnte.

Wie alle anderen Nitrifikanten setzen auch Comammox beim Stoffwechsel Lachgas frei. Man vermute jedoch, dass der Ausstoß hier geringer sein könnte. Wagner: „Wenn das so ist, müsste man herausfinden, wie andere Nitrifikanten in Systemen wie Kläranlagen oder der industriellen Landwirtschaft ersetzt werden können. Dann könnte man diese durch Comammox-Bakterien vielleicht irgendwann ersetzen und die Lachgas-Produktion vermindern.“ Eine weitere Anwendung sei in Kläranlagen denkbar: Da die Organismen so gute Verwerter sind, „könnte man mit ihnen die Ammonium-Werte im Wasserablauf noch weiter hinunterdrücken“, sagte Wagner.

science.ORF.at/APA

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