Wie Vielfalt das antike Rom stabilisiert hat

Ein Grund für die Stabilität des Römischen Reichs war die kulturelle und intellektuelle Selbstständigkeit der Völker. Diesem „Erfolgsfaktor“ geht ein Kongress nach, der heute in Wien beginnt.

„Sprachen - Schriftkulturen - Identitäten der Antike“ lautet der Titel des diesjährigen Internationalen Kongresses für Griechische und Lateinische Epigraphik. Ab Montag findet er - nach 1962 zum zweiten Mal - in Wien statt.

Kongress

“Sprachen - Schriftkulturen - Identitäten der Antike“, 28. August - 1.September 2017

Die Disziplin der Epigraphik erforscht Inschriften in griechischer und lateinischer Sprache aus der antiken griechisch-römischen Welt. In einer Aussendung der Uni Wien heißt es, dass man, um ein Gesamtbild der Kulturgeschichte der Antike zu gewinnen, aber auch regionale Sprachen und Schriftsysteme einbeziehen muss. Darunter Keltisch, Punisch, Etruskisch und Ägyptisch sowie einige kleinasiatische und semitische Sprachen.

Eigene Sprache wichtig

Diese Sprachen hätten aufgrund der Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Religionen vonseiten der Machthaber im Römischen Reich weiterexistieren können und so eine stabilisierende Funktion ausgeübt, erklärt Thomas Corsten vom Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik der Uni Wien.

Die Benutzung einer eigenen Sprache innerhalb eines Vielvölkerstaates, wie es das Römische Reich war, trage zum Selbstbewusstsein einer Gemeinschaft bei. Allerdings weniger in politischer als vielmehr in kultureller Hinsicht. Corsten: „Das zeigte sich zunächst in Italien selbst, das ja erst im Laufe des 3. Jh. v. Chr. unterworfen und in den Machtbereich Roms eingegliedert wurde.“

Überlieferung durch Inschriften

Die alt-italischen Sprachen seien als Ausdruck kultureller Eigenständigkeit noch lange verwendet worden und über Inschriften erhalten geblieben. Ähnliches ließe sich in Kleinasien, also etwa der heutigen Türkei, während der Kaiserzeit beobachten: Dort hätten die einheimischen Sprachen und verschiedenen griechischen Dialekte vom 1. bis zum 3. Jahrhundert nach Christus sogar eine neue Blüte erlebt, indem sie - nach jahrhundertelanger Pause - in manchen Gegenden wieder in Inschriften benutzt worden seien, so Corsten.

„Inschriften entwickelten sich in der Antike zum Medium par excellence für politisch-gesellschaftliche Diskurse. Und das zu so unterschiedlichen Themen wie Herrschaftslegitimation, Definition und Hierarchisierung sozialer Gruppen, Funktion und Selbstrepräsentation der Eliten, Erinnerungskultur oder Identität“, unterstreicht Kongress-Mitveranstalter Fritz Mitthof die Bedeutung der Quellentexte.

Neben den monumentalen, zumeist auf Stein oder Bronze verewigten Dokumenten werden bei der Veranstaltung auch mit Griffel eingeritzte (Graffiti) oder mit Pinsel gemalte Kurzmitteilungen (Dipinti) behandelt. Insgesamt wird die Teilnahme von etwa 400 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen auf dem Gebiet der antiken Inschriftenkunde erwartet.

science.ORF.at/APA

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