Ökonom gegen die Abschaffung von Bargeld

Bargeld ist teuer, seine Abschaffung soll helfen, Kriminalität zu verhindern und den Zentralbanken Zinsen unter Null Prozent ermöglichen: So die Argumente derer, die Bargeld abschaffen wollen. „Keiner der drei Gründe ist stichhaltig“, sagte heute der Schweizer Ökonom Hans Gersbach bei einer Tagung in Wien.

Hans Gersbach ist unter anderem Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des deutschen Wirtschaftsministeriums. In Wien findet derzeit eine wissenschaftliche Tagung des Vereins für Socialpolitik über alternative Geldformen statt. Dabei wird es auch um Bitcoin und andere „Privatwährungen“ gehen.

„Gemünzte Freiheit“

Die kolportierten Vorteile der Abschaffung seien entweder nicht vorhanden oder sehr klein. Dafür würden die großen Vorteile des Bargelds verloren gehen: Man kann damit sehr einfach zahlen, Geschäfte sind sofort endgültig abgeschlossen und Bargeldzahlung ist anonym - „gemünzte Freiheit“ also, so Gersbach. Außerdem würden durch die Bargeldabschaffung neue Risiken entstehen. Zinssätze unter null würden die Instabilität des Finanzsystems deutlich verschärfen, weil kleine Zinsveränderungen die Vermögensbewertung in den Bankbilanzen stark ausschlagen ließe.

Gersbach ist anlässlich der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik in Wien. Dabei geht es ums „alternative Geld- und Finanzarchitekturen“, also unter anderem um die Frage, wie man mit neuen digitalen Währungen umgehen soll. Seit der Finanzkrise von 2008 gibt es heftige Kritik daran, wie die Geldwirtschaft organisiert ist. Noch gibt es aber keinen Konsens, wodurch das alte System ersetzt werden soll.

Vorrechte der Banken in Gefahr?

Neue Verschlüsselungsmethoden wie die Blockchain haben zwar das Potenzial, das Bankensystem fundamental zu verändern. Es ist aber noch nicht klar, wer künftig solche Kryptowährungen ausgeben soll: Private Investoren wie derzeit bei Bitcoin, Banken oder wieder Zentralbanken, wie bei den offiziellen staatlichen Währungen. Jedenfalls müsse Europa danach trachten, wieder an der technologischen Spitze zu stehen - eine Rolle die man an das Silicon Valley verloren hat, sagt Gersbach.

Derzeit können Banken Geld schöpfen, wenn sie Kredite vergeben. Auch dieses Privileg ist in Diskussion. Nicht nur die Wirtschaftswissenschaft zerbricht sich den Kopf darüber, in der Schweiz hat bereits 2015 eine „Vollgeld-Initiative“ genug Stimmen gesammelt, um über die Abschaffung des sogenannten Giralgelds abstimmen zu lassen.

Gersbach erwartet die Abstimmung dazu nächstes oder übernächstes Jahr. Es gebe in den Schweizer Banken „eine gewisse Nervosität“ dazu. Es werde wohl nicht einfach sein, in der breiten Öffentlichkeit die Vorteile von Giralgeld dazustellen, während die Initiatoren eher Stimmung für die Abschaffung eines „Bankenprivilegs“ machen können, erwartet Gersbach.

science.ORF.at/APA

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