Asiens Gletscher werden um ein Drittel schrumpfen

Den Gletschern Asiens setzt der Klimawandel zu. Neue Simulationen sagen voraus: Bei einer Erwärmung von nur 1,5 Grad werden die Eisreserven ein Drittel an Volumen verlieren - oder noch viel mehr, sofern es wärmer wird.

Zwei oder 1,5 Grad: Höher soll die globale Temperatur im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter nicht steigen. Das ist das Ziel, auf das sich die internationale Staatengemeinschaft beim letzten Klimagipfel in Paris geeinigt hat. Wie schwierig die politische Umsetzung dessen ist, lässt sich schon allein daran ablesen, dass man es noch nicht einmal geschafft hat, sich auf eine Vorgabe zu einigen. Dabei hätte bereits eine Erwärmung um nur 1,5 Grad schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt.

Wasserversorgung gefährdet

Wie Forscher um Walter Immerzeel von der Universität Utrecht anhand von Computersimulationen zeigen, blieben davon auch die Gletscher des asiatischen Hochgebirges nicht verschont. Laut ihren Berechnungen sind dort insgesamt fünf Billionen Tonnen gefrorenes Wasser gespeichert. Selbst wenn es gelänge, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken (eine optimistische Annahme - momentan steuern wir auf 2,7 bis 3,5 Grad zu), würde ein Drittel der Gletscher bis Ende des Jahrhunderts schmelzen.

Entsprechend höher sind die vorausgesagten Verluste bei stärkerer Erderwärmung: knapp die Hälfte bei 3,5 Grad plus, gar zwei Drittel bei sechs Grad plus.

Himalaya: Bergsteiger auf einem Eisfeld

Sander Meijer

Langtang-Tal, Nepal: Die Forscher bei der Arbeit

Dadurch würde nicht nur der Meeresspiegel steigen, es käme auch die Wasserversorgung der umliegenden Regionen in Gefahr. Das gilt vor allem für den Westhimalaya sowie für den Indus, der von allen asiatischen Flüssen am stärksten vom Schmelzwasser aus dem Himalaya abhängig ist.

Wie viele Menschen durch Wasserengpässe zu leiden hätten, sei schwer abzuschätzen, sagt Immerzeel gegenüber science.ORF.at. Die Wechselwirkung mit dem Monsun sei noch ein Unsicherheitsfaktor, ebenso das Bevölkerungswachstum. „Aber ich gehe davon aus, dass Dutzende Millionen Menschen davon betroffen sein werden.“

Anpassung dauert Jahrzehnte

Anzeichen dieser Entwicklung gebe es bereits, kommentierte der Genfer Klimaforscher Markus Stoffel gegenüber dem deutschen Science-Media-Netzwerk. Bergdörfer in Ladakh im Norden Indiens müssten schon heute den Winterschnee in künstlichen Gletschern speichern, um im Sommer die Felder mit genügend Wasser versorgen zu können. Im Bereich des Ganges, Indus und Bramaputra „wird während der Trockenzeit das jetzt noch reichlich vorhandene Schmelzwasser bitter fehlen. Hier stehen die Behörden vor extremen Herausforderungen.“

Immerzeel und seine Kollegen haben am Computer auch übertrieben optimistische Szenarien durchgespielt, bei denen es in der Zukunft zu gar keiner zusätzlichen Erderwärmung kommt. Mit überraschendem Ergebnis: Selbst in diesem Fall würden die Gletscher bis Ende des Jahrhunderts 14 Prozent ihres Volumens verlieren. Ihre gegenwärtige Ausdehnung ist offenbar noch immer ein Ausdruck des Klimas um 1850. Bis sie sich an die aktuellen Klimaverhältnisse angepasst haben, wird es Jahrzehnte dauern.

Peinlicher Fehler korrigiert

Die Studie ist auch ein Postskriptum zu einem durchaus brisanten Kapitel vergangener Klimapolitik. 2007 berichtete nämlich der Weltklimarat IPCC, die Himalaya-Gletscher könnten bis 2035 fast vollständig verschwinden. Da unterlief den Experten ein peinlicher Irrtum, der IPCC sprach danach von einem „bedauerlichen Fehler“.

Immerzeel liefert nun realistischere Zahlen, seine Simulationen sind die ersten, die auch die isolierende Schuttbedeckung der Gletscher berücksichtigen. Die, wie sich zeigt, keinen allzu großen Effekt auf das Schmelzen hat. Grund für allzu großen Optimismus geben die Resultate freilich nicht. Denn, so Immerzeel, „die Gletscher sind bereits in Bewegung“.

Robert Czepel, science.ORF.at

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