Auch Tanten lassen sich vom Nachwuchs fressen

Bei bestimmten sozialen Spinnenarten fressen Jungtiere ihre eigenen Mütter. Wie eine neue Studie zeigt, opfern sich auf diese Weise auch die Tanten der Jungen.

Bisher wurde angenommen, dass die jungfräulichen Weibchen nur Beutefang und Netzbau betrieben, heißt es in einer Studie von Forscherinnen der Universitäten Greifswald und Aarhus. Zur Fütterung des Nachwuchses mit hochgewürgter Nahrung und später mit ihrem eigenen Körper waren nach gängiger Meinung hingegen nur Mütter in der Lage, die sich intensiv mit der Brutpflege beschäftigten, wie die Hochschulen mitteilten.

Für ihre Doktorarbeit haben die deutschen und dänischen Forscherinnen Gruppen aus verpaarten und unverpaarten Weibchen der Art Stegodyphus dumicola zusammengestellt und geprüft, welche Tiere Brutpflege und Beutefang betrieben. Dabei stellten sie fest, dass auch die unverpaarten Tanten die kräftezehrenden Aufgaben der Mütter übernahmen - und später auch von den Jungtieren gefressen werden.

Eine Mutter (oranger Rücken) und ein unverpaartes Weibchen (grüner Rücken) zusammen bei der Brutpflege

Anja Junghanns

Eine Mutter (oranger Rücken) und ein unverpaartes Weibchen (grün) zusammen bei der Brutpflege

“Nur scheinbar altruistisch“

Von den etwa 45.000 bekannten Spinnenarten leben etwa 30 in sozialen Verbänden. Die Forscher vermuten, dass dieses bei der afrikanischen Spinne beobachtete Verhalten auch bei den anderen 30 Arten existiert.

Sie begründen das Verhalten mit der Sicherung des Genpools der engsten Verwandtschaft und damit auch des eigenen in der nächsten Generation einer Spinnenkolonie. Soziale Gruppen bei diesen Spinnen werden meist von einer einzelnen Mutter und ihrem Nachwuchs gegründet, der sich untereinander verpaart.

„Das Verhalten ist nur scheinbar altruistisch“, sagte die Zoologieprofessorin und Spinnenforscherin Gabriele Uhl von der Uni Greifswald. Durch die erfolgreiche Aufzucht ihrer Nichten und Neffen werden auch Gene, die die Tante besitzt, an die nächste Generation weitergegeben. Das erkläre, wie das scheinbar selbstlose Verhalten evolutionär entstehen konnte und erhalten bleibe. Rund 60 Prozent der Weibchen in den Kolonien der Stegodyphus dumicola seien unverpaart, Männchen äußerst selten.

science.ORF.at/dpa

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