Wie funktioniert Aufmerksamkeit?

Wie schafft es das Gehirn aus der riesigen Zahl einströmender Informationen nur den relevanten Aufmerksamkeit zu schenken? Dieser Frage geht der Neurowissenschaftler Maximilian Jösch ab sofort am IST Austria nach.

Für seine Forschung hat Jösch einen der heißbegehrten europäischen „Starting Grants“ erhalten, die mit bis zu 1,5 Millionen Euro dotiert sind.

Angeboren und automatisch

Ständig strömen Informationen auf uns ein. Damit wir mit all den neuen Bildern, Gerüchen und Geräuschen zurechtkommen - hat sich bei uns - wie bei Tieren - die Aufmerksamkeit entwickelt, sagt der Neurowissenschaftler Maximillian Jösch vom Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg. Er sei unendlich fasziniert vom Gehirn, sagt er gegenüber science.ORF.at, denn es habe eine wahnsinnig schöne Struktur.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 20.9., 12:00 Uhr.

Man könne zwar mittlerweile Lehrbücher über das Gehirn füllen und dennoch würde man immer noch viel zu wenig darüber wissen, wie gewisse Schaltkreise funktionieren. Die Forschung von Jösch soll nun dazu beitragen, mehr über jene Schaltkreise zu lernen, die für die sogenannte angeborene Aufmerksamkeit zuständig sind.

Ein Beispiel: Wenn es plötzlich irgendwo knallt oder blitzt, dann drehen wir den Kopf, schauen in diese Richtung und bewegen dabei unsere Augen. Das ist genau jene automatische Aufmerksamkeit, die Jösch in den nächsten fünf Jahren im Zuge des „Starting Grant“ des Europäischen Forschungsrates (ERC) studieren wird.

Damit wir nicht über Wurzeln stürzen

Im Speziellen werden dazu die im Mittelhirn befindlichen Colliculi superiores, die oberen Hügelchen der Vierhügelplatte, bei Mäusen untersucht. Diese Gehirnregion ist bei Wirbeltieren evolutionär konserviert und bekannt für ihre Rolle, sowohl bei der Aufmerksamkeit als auch bei der Umwandlung von sensorischen Reizen in zielgerichtete Bewegungen.

Das derzeit fünfköpfige Team rund um Jösch nutzt für ihre Forschung modernste genetische Werkzeuge, z.B. indem es fluoreszierende Proteine in bestimme Zellen einbaut, um die Gehirnaktivität der Mäuse mit einem Mikroskop beobachten können.

Diese Technik helfe der Wissenschaft, jene Mechanismen zu verstehen, die es uns Menschen etwa ermöglichen, bei einem Waldlauf nicht immer wieder über Wurzeln zu stürzen oder ständig mit Ästen und Bäumen zu kollidieren.

Ohne Tierversuche keine Erkenntnis

Tierversuche sind wahnsinnig wichtig, wenn man das Gehirn verstehen will, sagt der Neurowissenschaftler Jösch. Es gäbe keine andere Möglichkeit, das Gehirn verstehen zu lernen außer am lebenden, sich bewegenden Objekt.

Das Grundprinzip des Gehirns sei Informationen aufzunehmen und Verhalten zu produzieren. Die große Hoffnung, sagt der gebürtige Chilene Jösch, der bis vor Kurzem in München und Harvard tätig war - ist natürlich auch mehr über Erkrankungen zu lernen, deren Ursachen sich im Gehirn finden, etwa über die Aufmerksamkeitsstörung ADHS oder Autismus.

Und so will Jösch auch seine Grundlagenforschung verstanden wissen - als einen von vielen Wegen Krankheiten zu besiegen. Denn die Wissenschaft sei nicht geradlinig, oft müsse man Umwege gehen, um zum Ziel zu kommen.

Übrigens, sagt Jösch, den Mäusen gehe es bei ihm gut, sie würden nicht leiden, sondern würden sich mit Aufmerksamkeitsspielen beschäftigen und dabei als Belohnung Schokomilch bekommen.

Gudrun Stindl, Ö1-Wissenschaft

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