Schon „vor dem Vergessen“ forschen

Noch bevor die ersten Symptome von Alzheimer auftauchen, verändert sich das Gehirn. Diese Veränderungen sollen nun mit Hilfe einer kleinen Gruppe von Betroffenen besser erforscht werden: Menschen mit genetisch bedingtem Alzheimer.

Alzheimer ist keine Frage des Lebensstils. Abgesehen von einem hohen Alter weiß die Wissenschaft bisher wenig über die Risikofaktoren, die zu einer Erkrankung führen können. Mit einer Ausnahme: Es gibt Familien, in denen eine Genveränderung vererbt werden kann, die zu dieser Demenzerkrankung führt. Drei solcher Genmutationen sind bis heute bekannt.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in den Ö1-Journalen: 21.9., 7.00 Uhr.

Familiärer Alzheimer ist selten

Bezogen auf die Gesamtbevölkerung ist die erbliche Alzheimererkrankung sehr selten. Weniger als ein Prozent aller Fälle geht darauf zurück. In diesen Familien liegt das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, bei 50 Prozent, oft schon vor dem 50. Lebensjahr. Ein solches genetisches Risiko kann etwa dann vorliegen, wenn Eltern oder Geschwister bereits früh an Alzheimer erkrankt sind.

Um den familiär bedingten Alzheimer besser erforschen zu können, wurde 2008 in den USA die Langzeitstudie DIAN ins Leben gerufen, das „Dominantly Inherited Alzheimer Network“. Seit 2011 ist DIAN auch in Deutschland aktiv. Bisher sind rund 60 Betroffene eingebunden, die im Lauf ihres Lebens an Alzheimer erkranken werden.

Keine Symptome, aber erste Veränderungen

Viele, die später unter dieser Form des familiären Alzheimer leiden werden, entwickeln bereits in ihren 20ern und 30ern erste Amyloid-Beta-Plaques. Typische Symptome wie Vergesslichkeit oder Desorientierung gibt es dann noch keine. Doch die Wissenschaftler können so mehr über die Entstehung der Krankheit herausfinden, sagt der Neurologe Johannes Levin von der Universität München.

„Man hat hier die besondere Möglichkeit, weit vor Beginn der Symptome Biomarker zu untersuchen und den klinischen Verlauf sehr genau zu untersuchen“, so Levin bei einem Pressegespräch des Science Media Center anlässlich des Welt-Alzheimer-Tages.

Früherkennung schon jetzt wichtig

Kommendes Jahr sollen erste Medikamententests mit diesen Patientinnen und Patienten beginnen. Gleichzeitig wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf diesem Weg bessere Frühtests für alle Formen von Alzheimer entwickeln. Früherkennung sei aber auch heute schon ein wichtiges Thema, sagt der Neurologe Michael Heneka vom Universitätsklinikum Bonn. Denn nicht bei jeder Demenz handelt es sich um Alzheimer.

„Es gibt eine Reihe von Demenzursachen, die auch behandelbar sind, wie Stoffwechselstörungen der Schilddrüse oder Durchblutungsstörungen, um nur zwei zu nennen“, so Heneka. Solche Demenzerkrankungen sind heilbar bzw. können die Symptome effektiv bekämpft werden. Und sollte es tatsächlich zu einer Alzheimer-Diagnose kommen, können die behandelnden Mediziner die Symptome zumindest verlangsamen. Und die Betroffenen haben mehr Zeit, sich auf die entstehende Erkrankung vorzubereiten.

Marlene Nowotny, Ö1-Wissenschaft

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