So kann die Energiewende gelingen

Die Energiewende ist bis zum Jahr 2050 machbar, das betonen Forscher weltweit. Erst kürzlich zeigte eine US-Studie für 139 Länder, wie das gehen könnte, auch für Österreich. Das Konzept funktioniere, meinen österreichische Forscher. Es ginge aber besser.

Die Erderwärmung soll bei zwei Grad eingebremst werden - so lautet das Ziel des Pariser Klimaabkommens, das mit Österreich 195 Länder unterzeichnet haben. Dadurch sollen die Konsequenzen des Klimawandels wie Dürre, Hochwasser und enormer Hitze in einem handhabbaren Maß gehalten werden können.

Hierfür ist allerdings eine Nullbilanz beim CO2-Ausstoß notwendig und zwar bis zum Jahr 2050. Konkret bedeutet das, dass der CO2-Ausstoß bis dahin um 80 bis 95 Prozent gesenkt werden soll und der Rest durch natürliche Prozesse absorbiert wird.

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Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal am 10.11. um 12.00.

Wind, Wasser und Sonne

Um das zu erreichen, soll in Österreich vor allem auf Wasser, Wind und Sonne gesetzt werden. Das sehen auch Wissenschaftler der Stanford Universität in einer im Fachjournal Joule veröffentlichten Studie so - wir haben darüber bereits berichtet. Demnach könnte die Energieversorgung künftig mit 40 Prozent aus Wind, 40 Prozent aus Solarenergie und 20 Prozent aus Wasserkraft gespeist und somit Elektroautos betrieben, Handys geladen und Häuser beheizt werden.

Grundsätzlich sei das genauso machbar. Die US-Studie hat allerdings einen Haken, kritisiert der Volkswirt und Umweltexperte Karl Steininger von der Universität Graz das Konzept seiner US-Kollegen. „Letztlich belassen Mark Jacobson und seine Kollegen die Energienachfrage bis 2050 auf dem heutigen Niveau. Dafür wären dann gewaltige Flächen zur Bereitstellung dieser Energiemengen aus Erneuerbaren notwendig.“

ORF-Schwerpunkt: Mutter Erde

„Klima – nachgefragt“ - unter diesem Motto steht der Mutter-Erde-Schwerpunkt des ORF von 10. – 17. November.

Verbrauchen wir also auch in 30 Jahren noch genauso viel Energie wie heute, müsste die Anzahl der Windräder um das 25-fache steigen. „Sieht man sich etwa Gegenden an, wo derzeit großflächig Energie aus Wind gewonnen werden kann, ist es fraglich, ob wir eine derartige Vervielfachung wollen.“ Auch im Bereich der Solarenergie würde es nicht ausreichen, etwaige Anlagen auf einem Großteil der Dächer anzubringen, so Steininger. „Hier müsste man in Österreich noch einmal zusätzlich Solarkraftwerke auf freiem Feld aufbauen, die zumindest zweimal die Stadtfläche von Wien ausmachen.“

Wie den Energiebedarf halbieren?

Wenn es nach dem Umweltvolkswirt geht, ist es aber nicht notwendig, so viel Fläche in Österreich für Kraftwerke verfügbar zu machen. Vielmehr nennt Steininger Möglichkeiten, wie sich der Energieverbrauch in den nächsten Jahren reduzieren ließe.

Zu den bekannten Beispielen zählen etwa das Dämmen von bestehenden Gebäuden, das Bauen von neuen Passivhäusern, die ohne Heizung und Kühlung auskommen, sowie das Abändern der Infrastruktur, sodass Arbeitsplatz und Supermarkt etwa mit dem Zug, dem Rad oder zu Fuß erreichbar sind. Darüber hinaus sieht Steininger auch eine Chance darin, die Abwärme von Haushaltsgeräten zu nutzen und anderen zur Verfügung zu stellen.

„Zum Beispiel beim Geschirrspüler. Das Abwasser hat noch eine gewisse Wärme. Sie wird in diese Energienetze abgeben und an anderer Stelle wieder genutzt, da, wo wir sie brauchen.“ Am Campus der ETH Zürich wird diese Art von Wärmeaustausch bereits umgesetzt, so Steininger.

Durch solche Maßnahmen soll der Energieverbrauch in den nächsten Jahrzehnten um die Hälfte sinken. „Wie Studien aus Österreich zeigen, ist dann eine Verdrei- bis zu einer Vervierfachung der Windkraftanlagen ausreichend“, stellt Steininger das heimische dem US-Modell gegenüber.

Österreichs Politik hinkt hinterher

Wirft man einen Blick auf das Voranschreiten der Energiewende in Österreich, so fällt die Zwischenbilanz gemischt aus. Denn obwohl man hierzulande das Zwischenziel der EU fast erreicht hat, wonach bis zum Jahr 2020 34 Prozent der Gesamtenergie aus Wasser, Wind und anderen Erneuerbaren gespeist werden sollen, stieg der CO2-Ausstoß zuletzt wieder an. Noch hat Österreichs Politik auch keinen Fahrplan für eine gänzliche Energiewende vorgelegt, anders als Deutschland oder Schweden.

Dass eine solche aber nicht nur dringend notwendig ist, sondern sich letztlich rentiert, betonen Forscher immer wieder. Auch das Fazit der Stanford-Wissenschaftler lautet: Eine Energiewende wird teuer. Keine Wende wird teurer. Sie rechnen damit, dass die Kosten für Spitalsaufenthalte, Umweltschäden und die Energieversorgung ein Viertel von dem betragen, als wenn man das aktuelle System mit Kohle, Erdgas und Erdöl als Energielieferanten beibehalten würde.

Am Arbeitsmarkt prognostizieren die US-Forscher im Falle einer Energiewende ebenfalls einen positiven Effekt und sehen für Österreich einen Zuwachs von 80.600 neuen Jobs - abzüglich jener Tätigkeitsbereiche, die durch einen Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft gefährdet sind. „Energiewende bedeutet auch, dass wir die Wertschöpfung bzw. Herstellung der Energie grundsätzlich im Inland haben. Wie sehr das der Fall sein wird, hängt aber auch davon ab, ob wir in manchen dieser neuen Technologien auch Marktführer werden können“, erklärt der Volkswirt.

Größte Hürde: die Jahreszeiten

Die größte Hürde bei der Umstellung der Energieversorgung sieht Steininger in den Schwankungen zwischen den Jahreszeiten. Denn im Winter lässt sich deutlich weniger Strom aus Solaranlagen gewinnen.

Ein globaler Energieaustausch zwischen den Kontinenten der Nord- und Südhalbkugel könnte das Problem lösen, ist der Volkswirt überzeugt. So könnte notwendiger Strom über Unterwasserleitungen zwischen Regionen Südamerikas oder Afrikas und Europas fließen.

Seinen Optimismus unterstreicht Steininger mit einem verweis auf die soeben fertiggestellte Seekabelverbindung „Marea“ zwischen Virginia, USA und Bilbao, Spanien. Dabei handelt es sich zwar um ein Daten- und kein Stromkabel. Es belege aber die grundsätzliche Machbarkeit einer Unterwasserstromleitung. „Marea ist mit 3 cm Durchmesser weit dicker als alle bisherigen Datenkabel. Ein Höchstspannungs-Gleichstromkabel wäre etwa vier Mal so dick wie Marea, ist aber physikalisch einfacher und weit belastbarer als ein Höchstleistungs-Datenkabel.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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