Die ersten Winzer lebten in Georgien

Georgien ist vermutlich die älteste Weinnation der Welt. Überreste auf jungsteinzeitlichen Tonscherben zeigen, dass das beliebte Getränk dort schon vor fast 8.000 Jahren produziert und konsumiert wurde.

Heute gibt es 8.000 bis 10.000 Rebsorten, die durch Jahrtausende lange Züchtung aus wildem Wein entstanden sind. Begonnen hat alles vermutlich in Georgien, wo noch heute 500 Sorten angebaut und zu Wein verarbeitet werden, was auf eine lange Geschichte des Weinbaus verweist.

Wie weit sie zurückgeht, macht die aktuelle Untersuchung der Forscher um Patrick McGovern vom University of Pennsylvania Museum of Archaeology and Anthropology deutlich. Im Rahmen eines internationalen Projekts gemeinsam mit dem georgischen Nationalmuseum haben sie Keramiküberreste von zwei neolithischen Fundstätten ca. 50 Kilometer südlich der georgischen Hauptstadt Tiflis analysiert.

Spuren von Weinsäure

Auf den Fundstücken fanden sie Spuren von Weinsäure und drei anderen weintypischen Chemikalien. Die Krüge wurden im Zeitraum zwischen 5.800 und 6.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung hergestellt. Die bisher ältesten chemischen Belege für Weinreste stammen aus dem Iran und sind zwischen 7.000 und 7.400 Jahre alt.

Neolithischer Weinkrug

Judyta Olszewski

Neolithischer Weinkrug

Bestätigt werden die aktuellen Ergebnisse durch botanische Untersuchungen, z.B. von fossilem Blütenstaub, und durch die damaligen klimatischen Bedingungen. Das Klima in dem jetzigen Steppengebiet war damals nämlich feuchter und milder als heute. Offenbar wurden in der Gegend schon sehr früh nicht nur Getreide und Gemüse angebaut, sondern auch Kräuter und Früchte domestiziert, wie die wilde Weintraube Vitis vinifera. Der Grundstein für die regionale Weinkultur war gelegt.

Gärung unter Tag

Die Gefäße, in denen der Wein vergoren, gelagert und vielleicht auch serviert wurde, waren zum Teil sehr groß. Sie waren bis zu einem Meter hoch wie weit, teilweise mit einem Fassungsvermögen von über 300 Litern. Interessanterweise ist der Boden der Krüge recht klein, was angesichts der Größe nicht sehr stabil gewesen sein kann.

Tonscherben, Boden eines neolithischen Tonkrugs

Judyta Olszewski

Boden von einem der untersuchten Tonkrüge

Möglicherweise - spekulieren die Studienautoren - wurden die Gefäße komplett in der Erde vergraben und der Wein wurde dort vergoren - eine Methode, die typisch für den georgischen Weinbau ist und heute noch immer praktiziert wird. Für die Vergärung ist der kühle Ort unter der Erde ideal. Mittlerweile gehört die Technik zum immateriellen Weltkulturerbe.

Ursprung der Weinkultur

Das gesellschaftliche Leben in den neolithischen Dörfern war vermutlich geprägt vom Wein, die Trinkkultur durchdrang sämtliche Lebensbereiche: von der Behandlung von Krankheiten bis zu Festlichkeiten, von der Geburt bis zum Tod, wie Koautor Stephen Batiuk von der University of Toronto in einer Aussendung ausführt: „Als Medizin und sozialer Klebstoff, als bewusstseinsverändernde Substanz und hochgeschätztes Alltagsprodukt stand Wein im Mittelpunkt von Religion, Medizin, Wirtschaft und Gesellschaft.“

Von hier aus breitete sich die Weinkultur im ganzen Nahen Osten und nach Ägypten aus, später dann nach Asien, Europa und in den Rest der Welt. „Das weite Spektrum an Aromen der heutigen Rebsorten sind das Endergebnis der damaligen Domestikation und der Kreuzung mit anderen wilden Traubensorten“, so Batiuk. Fast alle heutigen Reben haben somit ihre Wurzeln im Kaukasus.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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