Finanzmarkt wettet gegen Klimapolitik

Während Staaten nach Wegen aus der fossilen Energie suchen, scheinen Investoren und Ölunternehmen noch nicht so recht daran zu glauben, dass die Welt wirklich einen raschen Ausstieg vorbereitet. Dafür sind ihre Aktienkurse und Ölpreisprognosen viel zu hoch.

„Wenn der Markt oder die Investoren, die dahinter stehen, der Meinung wäre, dass das Pariser Abkommen so umgesetzt wird, wie das derzeit angedacht ist, dann dürften die Preise von internationalen Ölkonzernen nicht so hoch sein, wie sie derzeit sind“, fasst der Wirtschaftswissenschaftler Armon Rezai vom Institut für Ökologische Ökonomie an der Wiener Wirtschaftsuniversität das Problem zusammen.

Zur Erinnerung: Das Pariser Abkommen peilt eine Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasemissionen bis 2050 an, die die globale Erderwärmung bei maximal zwei Grad Celsius eindämmen soll. Das bedeutet - mehr oder weniger - einen endgültigen Ausstieg aus fossilen Energielieferanten wie Öl, Kohle oder Gas.

Damit würde natürlich die Nachfrage danach entsprechend sinken und damit auch die Preise für diese Rohstoffe. Doch Unternehmen wie Shell oder Exxon rechnen in ihren Zukunftsmodellen mit Ölpreisen für ihre noch ungeförderten Reserven, die deutlich höher wären, als in einer Welt der erneuerbaren Energie, erklärt Rezai. Und die Investoren wohl ebenso, denn die die Aktienpreise - die sich grob gesagt, danach richten, wie profitabel ein Unternehmen ist und in der Zukunft sein dürfte - scheinen wie ein Wettschein gegen das Zwei-Grad Ziel.

Eine Kohlenstoffblase?

Egal ob sie recht haben oder nicht, auf die Energiemärkte könnte mit der Überbewertung ein heftiger Finanzschock zukommen, warnen Wirtschaftsforscher. Vor allem der britische Think Tank Carbontracker warnt vor einer wahrscheinlichen „carbon bubble“ oder „Kohlenstoffblase“ und bringt seit 2011 in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen immer wieder Studien zum Thema heraus.

Ö1-Sendunghinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 28.11. um 13:55

Zuletzt ging eine Studie mit Zukunftsmodellen zur Preisentwicklung von Öl, Kohle und Gas davon aus, dass sich einige der großen Energieunternehmen mit ihren langfristig ausgelegten geplanten Investitionsausgaben insgesamt um fast 2,3 Trillionen Dollar verschätzen, wenn man von einem erreichbaren Zwei-Grad Ziel ausgeht. „Da besteht jetzt also die Sorge, dass das zu einer ähnlichen Finanzkrise führen könnte wie 2007/2008 - als die Immobilienblase in den USA geplatzt ist“, sagt Armon Rezai.

Denn die Ölkonzerne sind nicht besonders flexibel, wenn es um ihre Investitionen geht. Sie planen oft Projekte, die auf mehrere Jahrzehnte ausgelegt sind. Ein Ende der fossilen Energie würde im Vergleich dazu jedoch relativ plötzlich kommen, ob in zehn oder in 30 Jahren, meint Rezai.

Ausweichkurs oder Crash

Carbontracker weist darauf hin, dass sie nicht davon ausgehen, dass die „carbon bubble“ schon heute die Stabilität der Finanzmärkte bedroht, aber dass die Blase mit der Zeit eben immer größer werde. Noch sei gerade knapp genug Zeit einen geordneten Übergang für die nächsten zwanzig bis dreißig Jahre einzuleiten – ausgerichtet auf eine Welt, die schon bald – ob bis 2050 oder einige Jahre darüber hinaus - nicht mehr auf Kohle und Öl baut.

Veranstaltungshinweis

Armon Rezai hält am Donnerstag, 30.11. um 18 Uhr im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Mut zur Nachhaltigkeit“ in Wien einen Vortrag zum Thema „Klimapolitik und fossiles Vermögen: Zu viel Kohle, die zu viel wert ist“. Veranstalter der Vortragsreihe ist das Umweltbundesamt.

Auch darum weist Carbontracker - z.B. in der oben genannten Studie - für Investoren ersichtlich geschätzte Anteile von Investitionen bei 69 Energieunternehmen aus, die nicht zum Zwei-Grad-Ziel passen – und erklärt so, welche Unternehmen “für Investoren, die sich hinter ein Zwei-Grad-Ziel stellen wollen,“ heute schon besser positioniert sind.

Denn „der Markt“ ist sich auch nicht einig, wie die Zukunft aussehen soll. Manche Investoren gruppieren sich als „activist shareholder“ (z.B. Arjuna Capital), um zu versuchen ein Umdenken bei den Unternehmen zu erwirken.

Und die besten Argumente sind dabei eben immer noch Geld und Profit. Gibt es ein Umdenken, ließe sich damit nebenbei eine weltweite Finanzkrise verhindern, wenn die Aktienkurse der Energieunternehmen eben nicht relativ plötzlich entwertet würden, weil sie sich für kurzfristige Gewinne auf ein gefährliches Spiel mit der eigenen Zukunft eingelassen haben. Oder zumindest das Ausmaß eines solchen Einbruchs der Bewertung von Ölmultis dämpfen, denn - je nachdem, wie massiv der Schock ist - könnte er weite Kreise, auch wenn das heute noch unklar ist, beschwichtigt Rezai - aber Auswirkungen auf nachgelagerte Industrien, aber auch den Bankensektor und damit unter anderem Pensionsfonds wären wahrscheinlich.

Isabella Ferenci, Ö1-Wissenschaft

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