Medien: „Einschläfernde Wirkung“

Der UNO-Klimagipfel in Bonn ist vorbei, darüber wurde fast täglich berichtet. Eine Studie zur Pariser Konferenz vor zwei Jahren zeigt nun: Die Informationen kommen kaum beim Publikum an - und verringern paradoxerweise sogar die Bereitschaft, sich selbst zu engagieren.

Paris, Dezember 2015. Tagelang berichten Journalisten und Journalistinnen über die Klimakonferenz: Was ist das Ziel, wie kommen die Verhandlungen voran, warum ist ein globales Klimaabkommen notwendig und welche Konsequenzen hat es? Dass davon kaum etwas bei der Bevölkerung ankommt, hat Michael Brüggemann von der Universität Hamburg überrascht. Zusammen mit Kollegen hat der Kommunikationswissenschaftler mehr als 1.000 Menschen in Deutschland zum Klimawandel und die Politik befragt - vor, während und nach dem Gipfel in Paris.

Die Studie

„The appeasement effect of a United Nations climate summit on the German public“ ist im Fachjournal „Nature Climate Change“ erscheinen.

Drei Viertel der Befragten bekamen damals etwas von dem Trubel mit. Einen leichten Trend nach oben gab es hinsichtlich der Kenntnis über die Ziele des Klimagipfels. So wussten 36 Prozent, dass es darum ging, die globale Klimaerwärmung langfristig auf unter zwei Grad Celsius zu halten. Das waren immerhin um sieben Prozent mehr, als vor dem Gipfel. Allerdings wusste vor wie nach der Konferenz kaum jemand, dass die CO2-Emissionen in den Jahrzehnten davor nicht sanken, sondern stiegen - eine Nachricht, die aber immer wieder kommuniziert wurde.

„Berichterstattung hat einschläfernde Wirkung“

Nach der Einigung auf das Pariser Klimaabkommen zeigten mehr Menschen Vertrauen in die globale Politik als zuvor. Ihre Bereitschaft, selbst etwas für Klimaschutz zu tun, änderte sich aber kaum. Jeder zweite gab vor wie nach dem Klimagipfel an, das Verhalten bei Ernährung und Verkehr ändern zu wollen. Der Wille zu politischem Engagement ist sogar leicht gesunken.

„Wenn man das insgesamt auf einen Nenner bringen will, dann hatte die Medienberichterstattung eher eine wohlig einschläfernde Wirkung auf die Leute, als dass sie sie mobilisiert hätte, sich mehr für den Klimaschutz zu engagieren."

Grund dafür sei mitunter, dass Medien ihre Berichterstattung auf große Ereignisse wie die Klimakonferenz fokussieren und nicht gleichmäßig über Erkenntnisse zum Klimawandel sowie die Klimapolitik informieren. So gab es etwa nach dem gescheiterten Gipfel in Kopenhagen 2009 auf den meisten Kanälen eine dreijährige Sendepause, kritisiert der Kommunikationsexperte, räumt aber ein: „Wenn ich über den Journalismus im Allgemeinen spreche, ist das natürlich problematisch, weil es nachrichtenorientierte Sender im Öffentlich-Rechtlichen gibt, die kontinuierlicher und ausführlicher über solche Themen berichten.“

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in „Wissen aktuell“ am 20.11. um 13:55.

Wie sich in der Studie zeigte, beziehen die Meisten zwar ihre Informationen zum Klimawandel aus den klassischen Medien wie Fernsehen, Print, Online und Radio - hier aber gemischt von der deutschen Tagesschau, einer Bezirkszeitung bis hin zu RTL oder ProSieben. Nur 17 Prozent der Informationen kamen aus Social Media wie Facebook. „Es ist bei dem Thema Klimapolitik so, dass klassische Medien eine wichtige Rolle spielen.“

„Dranbleiben statt aufgeben“

Für die Berichterstattung zur COP23 in Bonn, die am Samstag zu Ende ging, rät der Wissenschaftler nun - öffentlich-rechtlichen wie privaten Kanälen - genau darüber zu berichten, welche Auswirkungen die Verhandlungen in Bonn nun regional haben. „Das Wichtigste bei solchen Gipfeln passiert ja danach. Es wäre mir deshalb ein Anliegen, dass die Medien jetzt nicht erschöpft aufgeben und zum nächsten Thema übergehen.“ Vielmehr sei es wichtig, nun etwa die Koalitionsverhandlungen in Österreich diesbezüglich genau unter die Lupe zu nehmen, um zu sehen, ob die kommende Regierung ihre Verantwortlichkeit nach der COP23 nun ernster nimmt.

„Es zeigt sich nämlich durchaus, dass Medien beim Thema Klimawandel einen langfristigen Einfluss ausüben. Denn laut unserer Studie wissen jene, die mehr Medien konsumieren, tendenziell auch besser über die Klimapolitik Bescheid. Obwohl sich hier auch ein höherer Bildungsgrad zeigt.“

Letztlich habe es der Journalismus beim Thema Klimawandel allgemein nicht leicht, die Menschen zu interessieren, meint Brüggemann. „Es ist ein abstraktes, globales, sich langsam entwickelndes Thema, wo die großen Negativereignisse noch in der Zukunft liegen. Das interessant zu machen, ist schwer.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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