Ab wann ist man reich?

Für Armut gibt es genaue Definitionen, aber: Ab wann ist jemand reich? Umfragen zeigen: Die Antwort ist relativ. Je vermögender die Menschen sind, desto höher setzen sie die „Reichtumsgrenze“ an.

In Österreich gibt es rund 250.000 US-Dollar-Millionärinnen und -Millionäre. Diese Zahl stammt aus dem aktuellen Global Wealth Report, der jährlich vom Credit Suisse Research Institute publiziert wird.

2016 lag die Zahl der US-Dollar-Millionäre noch bei 217.000. Die Zahl der Millionäre steigt damit in Österreich schneller als im globalen Schnitt. Der hohe Anstieg von 15 Prozent innerhalb eines Jahres sei dem Aktienboom und dem Anstieg der Immobilienpreise zu verdanken. Bis 2022 soll die Zahl noch einmal um 15 Prozent steigen, so die Prognose des Schweizer Forschungsinstituts.

Dünne Datenlage

Während man zu Armut viele und auch qualitativ hochwertige Daten findet, ist über Reichtum in Österreich immer noch sehr wenig bekannt. Die beste Datengrundlage über private Vermögensbestände in Österreich und Europa liefert der Household Finance and Consumption Survey (HFCS). Ein Projekt der Europäischen Zentralbank, das in Österreich von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) durchgeführt wird.

„Es gibt zu Vermögen nur dann gute Daten, wenn es besteuert wird“, sagte der Ökonom Bernhard Schütz von der Johannes Kepler Universität Linz. Da es in Österreich aber keine Vermögens- und Erbschaftssteuer mehr gibt, müsse man auf die Befragungsdaten des HFCS zurückgreifen. Doch Befragungsdaten sind nicht unproblematisch.

Studie: Ein Prozent besitzt 40 Prozent des Vermögens

Das Vermögen in Österreich ist stark konzentriert. Ungleichheit messen kann man mit dem Gini-Koeffizienten. Je näher der Wert des Koeffizienten bei 1 liegt, desto ungleicher die Verteilung. Der Gini-Koeffizient des privaten Haushaltsvermögens in Österreich liegt laut HFCS bei 0,77. „Da Reichtum so stark konzentriert ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine sehr reiche Person in der Stichprobe ist, gering“, räumte Schütz ein. „Hinzu kommt, dass reiche Menschen meist wenig auskunftsfreudig sind.“

Mit Hilfe statistischer Schätzverfahren hat er vor Kurzem mit Kollegen die Vermögensspitze in Österreich auf Grundlage der vorliegenden Daten geschätzt: Das Gesamtvermögen der privaten Haushalte liege bei rund 1.300 Milliarden Euro, und das oberste Prozent besitze rund 40 Prozent dieses Vermögens, so das Ergebnis der Forscher.

Die wirtschaftsliberale Denkfabrik Agenda Austria kritisiert die Studie der Johannes Kepler Universität Linz, die von der Arbeiterkammer finanziert wurde. Dass reiche Menschen weniger auskunftsfreudig seien, sei wissenschaftlich nicht belegt. Die Agenda Austria räumt aber ein, dass die vorliegende Studie transparent aufbereitet und nachvollziehbar sei. Die Studie verwende ein sauberes statistisches Verfahren. Da es sich um Schätzungen handelt, könnten daraus allerdings keine politischen Handlungsanleitungen abgelesen werden.

Geerbter Reichtum

Reichtum wird in Österreich vor allem vererbt. So haben 70 Prozent der reichsten Haushalte zumindest einmal ein substanzielles Erbe erhalten, wie Philipp Korom von der Universität Graz anhand der HFCS-Daten berechnet und im „Handbuch Reichtum“ publiziert hat. Diese Erbchancen nehmen von oben nach unten kontinuierlich ab. Diese ungleiche Verteilung von Erbschaften erklärt in Österreich rund 40 Prozent der Vermögensungleichheit. Töchter erben im Schnitt von ihren Eltern weniger als Söhne.

In Frankreich gibt es ein Nachlassregister, das seit 1790 sämtliche Erben und Vermögensarten erbschaftssteuerlich erfasst. Der französische Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty hat dieses Nachlassregister analysiert. Die Erb- und Schenkungsmasse übersteigt in Frankreich mittlerweile das Sechsfache des jährlichen Nettoeinkommens, und der Anteil des geerbten Vermögens am Gesamtvermögen liegt zwischen 80 und 90 Prozent.

Reichtum ist relativ

Wo Reichtum beginnt, ist wissenschaftlich nicht eindeutig definiert. Und auch bei der Befragung im Rahmen des HFCS zeigte sich, dass Menschen diese Frage je nach ihrer persönlichen Einkommens- und Vermögenssituation sehr unterschiedlich beantworteten. Der einkommensschwächste Teil der Befragten gab an, dass man ab 320.000 Euro reich sei. Die obersten zehn Prozent sagten hingegen, dass Reichtum erst bei 1,6 Millionen Euro beginne.

Klar ist, dass Reichtum vorwiegend männlich ist. Die acht reichsten Männer der Welt besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Und die „Forbes“-Liste der reichsten Menschen wird regelmäßig von Männern angeführt und dominiert. Den Frauenanteil unter den Milliardären schätzt „Forbes“ hingegen auf nur etwas über zehn Prozent.

Für Österreich erstellt das Wirtschaftsmagazin „trend“ alljährlich „Reichenlisten“. Dabei handelt es sich um journalistische Schätzungen der reichsten Personen und Haushalte in Österreich. „Trend“ gibt an, Stiftungs-, Beteiligungs- und Erbschaftsvermögen heranzuziehen. Seit Jahren unangefochten an der Spitze liegen die Familien Porsche und Piëch mit einem geschätzten Vermögen von 35,7 Milliarden Euro.

Mit erheblichem Abstand folgen Dietrich Mateschitz mit 9,13 Milliarden und Familie Ingrid Flick mit acht Milliarden Euro. Diese Reichenlisten liefern zwar eine gute Basis zur Schätzung der Vermögensspitze in Österreich, trennen jedoch nicht sauber zwischen Individuen, sondern rechnen Vermögenswerte oftmals ganzen Familien zu.

Juliane Nagiller, Ö1-Wissenschaft

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