Weniger Stickstoffdioxid an Straßen
Seit Mitte der 1990 stiegen in Europa immer mehr Menschen auf Dieselautos um. Sie wurden besonders gefördert, galten sie doch als leistungsfähiger und sauberer als Benzinmotoren. 2014 waren schon mehr als die Hälfte der Neuanschaffungen Dieselfahrzeuge. 1990 waren es nur 14 Prozent.
Die Studie
„Lower vehicular primary emissions of NO2 in Europe than assumed in policy projections“, Nature Geoscience, 27.11.2017
Erst allmählich stellte sich heraus, dass der Dieselmotor weit weniger umweltfreundlich ist als erhofft. Denn er verursacht zwar weniger CO2, aber bei der Verbrennung entstehen mehr Feinstaubpartikel, mehr Stickoxide und mehr Aldehyde.
Unerwünschte Nebenwirkungen
Mit europäischen Standards und verschiedenen fahrzeugtechnischen Maßnahmen versuchte man, die Probleme in den Griff zu bekommen, unter anderem wurden Dieselkatalysatoren und Partikelfilter eingebaut. Das hatte allerdings unerwünschte Nebenwirkungen. Der Anteil des besonders gesundheitsschädlichen Stickstoffdioxids stieg.
Es trägt zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei, es reizt die Schleimhäute und kann Atemwegserkrankungen auslösen. Der VW-Abgasskandal von vor zwei Jahren, bei dem ein zu hoher Gesamtausstoß an Stickoxiden verschleiert wurde, hat das Phänomen - das heißt die Zunahme von Stickstoffdioxid - noch verstärkt.
Unterschiedliche Standards
Europäische Standards regeln, wie viel Stickstoffdioxid in der Luft sein darf: Mehr als 40 Mikrogramm sollen laut den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einem Kubikmeter Luft im Jahresschnitt nicht gemessen werden - auch nicht neben stark befahrenen Straßen. Der Wert ist auch als Jahresmittelwert in der EU-Luftqualitätsrichtlinie festgelegt. Für Fahrzeuge hingegen gibt es nur Richtlinien für den Gesamtausstoß von Stickoxiden.
Link
- Luftverschmutzung in Europa (European Environment Agency)
Wie sich das Verhältnis von Stickoxiden zu Stickstoffdioxiden in Europa in den vergangenen Jahrzehnten tatsächlich entwickelt hat, haben die Forscher um Stuart K. Grange von der University of York nun anhand von Messdaten in 61 urbanen Gebieten analysiert, es wurden insgesamt 130 Millionen Messungen von Stickoxid, Stickstoffdioxid und Ozon von Stationen an stark befahrenen Straßen aus der European Air quality database durchgeführt, die auch Daten aus Österreich enthält.
Relativer Rückgang
Dabei zeigte sich, dass die Gesamtmenge an Stickoxiden von 1998 bis 2015 zurückging, von durchschnittlich 338 auf 228 Mikrogramm pro Kubikmeter, seit 2010 ist sie relativ unverändert. Anders sieht es beim Anteil des schädlichen Stickstoffdioxids aus. Der stieg nämlich bis 2009 weiter - vermutlich eine Folge der vielen Dieselfahrzeuge. Danach fiel er in den meisten Regionen leicht ab oder stabilisierte sich zumindest.
Ö1-Sendunghinweis
Dem Thema widmete sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 28.11.2017.
1998 lag der Wert an stark befahrenen Straßen im Schnitt bei ungefähr 68 Mikrogramm pro Kubikmeter, 2009 bei über 75 und 2015 knapp über 70 Mikrogramm. Der Trend ist laut den Forschern somit positiver, als viele Experten derzeit vermuten. Vielleicht lasse sich das Problem des Stickstoffdioxids in Europa insgesamt sogar schneller in den Griff bekommen als bisher prognostiziert, so die Hoffnung der Autoren. Die Menge ist gemessen an den WHO-Richtlinien für saubere Luft freilich immer noch sehr hoch.
Vergleichbare Regeln
Der relative Rückgang an Stickstoffdioxiden könnte unter anderem mit neuen spezifischeren Katalysatoren für Dieselfahrzeuge zu tun haben, die Stickoxidemissionen deutlich reduzieren. Zudem bildet sich bei den älteren Modellen im Lauf der Zeit unter Umständen weniger Stickstoffdioxid.
Die Forscher betonen, dass es dennoch sehr wünschenswert wäre, wenn die Standards für Neuwagen und für Luftqualität besser vergleichbar wären. Das heißt, bei Autos sollte nicht nur der Ausstoß an Stickoxiden angegeben werden, sondern eine Aufschlüsselung in Stickstoffmonoxid und -dioxid - dann ließe sich besser abschätzen, welchen Einfluss die Fahrzeuge später tatsächlich auf die Luftqualität haben.
Eva Obermüller, science.ORF.at