Einstein & Co: Fundstücke aus der Volksbildung

Handbemalte Glasbilder von Vorträgen, Programmhefte und sogar handschriftliche Briefe von Einstein: Sie alle gehören zum Fundus des Österreichischen Volkshochschularchivs. Seit genau dreißig Jahren sammelt es die Geschichte der Volksbildung bis zur Gegenwart.

Donnerstagabend wird das Jubiläum im Rahmen eines Festveranstaltung im Bildungsministerium gefeiert.

Bürgertum und Arbeiterbewegung

Die erste Institution mit volksbildnerischem Ansatz in Österreich ist das Joanneum in Graz, gegründet 1811 von Erzherzog Johann von Österreich (1782–1859). Er schuf das erste öffentliche Museum Österreichs, angelegt nach den erzieherischen Ideen der Aufklärung. Es sollte „das Lernen erleichtern und die Wissbegierde reitzen“, so zitiert das Museum selbst seinen Gründer.

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Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 30.11., 13.55 Uhr.

Volksbildende Institutionen, die der heutigen Volkshochschule nahekommen, entstanden allerdings erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als sich mit dem aufstrebenden Bürgertum und der Arbeiterbewegung aus zwei unterschiedlichen Richtungen ein gemeinsames Interesse heraus entwickelte: Mit Bildung und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen sollten auch gesellschaftliche Fortschritte für die jeweilige „Klientel“ erreicht werden, so Christian Stifter, Direktor des Österreichischen Volkshochschularchivs.

„In der ganz frühen Phase waren es Arbeiterbildungsvereine auf der einen Seite, es gab aber auch bürgerlich-liberale Initiativen von Lehrern, Ärzteschaften oder Schriftstellern, die sich für Volksbildung einsetzten.“

Mathematikkurs an der VHS-Ottakring

VHS-Archiv

Mathematikkurs an der VHS-Ottakring

Von Niederösterreich nach Wien

Die ersten Volksbildungsvereine gab es in Graz ab 1872 und dann in Ober- und Niederösterreich. Einer dieser Vereine brachte den Stein ins Rollen für die Volkshochschulen in Wien, so Christian Stifter:

„Es wurde eine Zweigstelle in Wien gegründet, die hieß ursprünglich ‚Wiener Volksbildungsverein, Zweigstelle des niederösterreichischen Volksbildungsvereins‘. Der Verein war kurze Zeit im Ersten Bezirk angesiedelt, gegenüber des Stephansdoms.“

Der erste Wiener Volksbildungsverein, gegründet 1887 vom Kunsthistoriker Eduard Leisching, bekam in der Stöbergasse in Wien-Margareten ein Zuhause. Noch heute befindet sich dort mit dem Polycollege Margareten eine Zweigestelle der Wiener Volkshochschulen. Die Nachfrage explodierte damals jedenfalls förmlich, erzählt Christian Stifter:

„Bereits in den ersten Jahren gab es 80.000 bis 90.000 Besucher und Besucherinnen. Man sah sich gezwungen, das Volkshochschulangebot zu erweitern.“ Auch an den Universitäten entstanden ab 1895 erste volkstümliche, also für das sogenannte einfache Volk konzipierte Universitätsvortrage.

Das Rote Wien als Volksbildner

In Wien waren es dann vor allem die Sozialdemokraten, die das Volkshochschulwesen vorantrieben. Die erste Volkshochschule im heutigen Sinn, damals auch „Volksuniversität“ genannt, wurde im Arbeiterbezirk Ottakring angesiedelt. „Man wollte eine Nähe zum Industrieproletariat“ so Christian Stifter.

1905 errichtete man das noch heute bestehende Gebäude am Ludo Hartmann Platz, ausgestattet mit eigenem Labor und modernsten Lehrmöglichkeiten. Die Volkshochschule Ottakring gilt als das älteste Volkshochschulgebäude Europas. Im Archiv zu sehen gibt es dazu etwa Fotoalben aus der Anfangszeit. Männer wie Frauen lauschen gebannt den Vorträgen, experimentieren im Labor oder lesen konzentriert.

Besonders im Wien der Zwischenkriegszeit hielt das „Who is Who“ der wissenschaftlichen Elite mit großem Engagement Vorträge vor dem Volk. „Der Referent der musikalischen Fachgruppe an der VHS Ottakring war in den 1920er Jahren beispielsweise ein Schüler von Arnold Schönberg“, erzählt Christian Stifter. Es herrschte eine nie dagewesene Hierarchielosigkeit zwischen Vortragenden und der Zuhörerschaft, die zu einem großen Teil auch aus einfachen Arbeitern und Arbeiterinnen bestand.

Handschriftlicher Brief Einsteins

VHS-Archiv

Handschriftlicher Brief Einsteins

Einstein mit großem Erfolg in Wien

Im Jänner 1921 stand etwa Albert Einstein im Wiener Konzerthaus und erklärte über 3.000 Gästen seine Relativitätstheorie. Noch heute ist ein originaler Briefwechsel zwischen Einstein und dem damaligen Direktor der Urania, Ludwig Kößler, erhalten geblieben. Nachlesen kann man ihn im Österreichischen Volkshochschularchiv in Wien-Florisdorf.

„Er hat darum gebeten, dass der Vortragssaal nicht zu groß ist, denn seine Stimme würde nicht allzu kräftig sein. Mehr als 3.000 Personen sollten es nicht sein“, erzählt Christian Stifter. Ein ungewohnt großes Publikum für Ludwig Kößler, fasste der Saal der Urania doch nur 680 Menschen. Doch der Vortrag wurde kurzerhand ins Konzerthaus verlegt und war, wie nicht anders zu erwarten, ein voller Erfolg. „Der Kartenverkauf wurde in der Urania durchgeführt und soll, laut meinen Unterlagen, über drei Tage angedauert haben“, so Christian Stifter.

Einzigartige Lichtbild-Sammlung

Neben den handschriftlichen Briefen von Albert Einstein gehört auch eine Sammlung von über 60.000 handbemalten Glasbildern aus dem frühen 20. Jahrhundert zu den Highlights aus dem Archiv. Sie sind quasi ein Vorläufer der Diaprojektion und stammen aus den Beständen der Urania.

„Wir haben beispielsweise einen Glasbildvortrag über die Südpol-Expedition von Ernest Shackleton aus dem Jahr 1915, mitsamt den Vortragsbüchern, aus denen sich sogar die Namen der Schlittenhunde ablesen lassen “, lacht Christian Stifter.

Heute dienen die Objekte des Österreichischen Volkshochschularchivs als Grundlage für verschiedenste Forschungsprojekte, Publikationen, aber auch als Leihobjekte in Ausstellungen.

Hanna Ronzheimer, Ö1-Wissenschaft

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