„Genschere“ heilt, ohne zu schneiden
Die Methode ist das große Ding der Molekularbiologe: Mit Hilfe von CRISPR/Cas9 können Forscher beliebige Sequenzen im Erbgut ansteuern, dort krankhafte Gene entfernen - und durch gesunde ersetzen. Das führt zur Hoffnung, dass man auf diese Weise Erbkrankheiten heilen könnte.
Doch die Gentherapie birgt Risiken. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass dabei unerwünschte Mutationen im Erbgut auftreten. CRISPR/Cas9 arbeitet zwar außerordentlich zielgenau, gleichwohl könnte die „Genschere“ auch an Stellen schneiden, wo man dies eigentlich nicht will.
Studie
„In Vivo Target Gene Activation via CRISPR/Cas9-Mediated Trans-Epigenetic Modulation“, Cell (7.12.2017).
„Totes“ Enzym schneidet nicht
Eine Lösung für dieses Problem scheinen nun Forscher vom Juan Carlos Izpisua Belmonte gefunden zu haben. Der Genetiker vom Salk Institute in Kalifornien hat eine Variante der Methode entwickelt, bei der statt Cas9 das verwandte Protein dCas9 zum Einsatz kommt.
Das „d“ steht für „dead“ - soll heißen: Das Protein dCas9 findet zwar passende Regionen im Erbgut, schneidet dort aber nicht. Stattdessen koppelten die Wissenschaftler dCas9 an einen sogenannten Transkriptionsfaktor, einen molekularen Schalter, der Gene aktiviert.
Arizona State University
Ö1-Sendungshinweis
Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 11.12., 13:55 Uhr.
Das Tandem dCas9 plus Schalter ist an sich zu groß, als dass man es in Genfähren verpacken könnte. Belmonte und sein Team lösten dieses Problem, indem sie die beiden Moleküle getrennt in zwei Viren unterbrachten. Mit Hilfe dieser Vehikel gelangten die beiden Komponenten an den Zielort - und taten dort auch, was von ihnen erwartet wurde: Sie entfalteten ihre Wirkung epigenetisch, durch Aktivierung ausgesuchter Gene. Das Erbgut indes blieb unverändert. Das Verfahren ist also genau genommen keine Gentherapie, sondern „Epi-Gentherapie“.
Ziel: Alterung umkehren
Wie die Forscher im Fachblatt „Cell“ berichten, konnten sie bei Mäusen verschiedene Krankheitssymptome stoppen, beispielsweise Diabetes Typ 1, akute Nierenleiden und eine Form der Muskeldystrophie. Gegenwärtig ist der Ansatz noch ein „proof of principle“, doch Belmonte hat schon große Pläne. Er will die Methode nun auf weitere Zelltypen und Erkrankungen ausweiten.
Denkbar wäre, dass man damit auch altersbedingte Leiden wie Hör- oder Sehverlust umkehren könnte. Bis die Technologie für klinische Versuche am Menschen bereit ist, müssen die Forscher freilich noch ihre Sicherheit unter Beweis stellen. Unerwünschte Nebenwirkungen sind auch hier nicht auszuschließen.
Robert Czepel, science.ORF.at