Mehr Frauen auf den Mond

Vor 45 Jahren verließ die Besatzung der Apollo 17 den Mond. Seitdem hat ihn niemand mehr betreten. Der nächste Mensch, dem das gelingt, sollte eine Frau sein - so die Hoffnung der ehemaligen Astronautin Claudie Haigneré. Sie fordert Gleichberechtigung im All.

1972 schickte die NASA das letzte Mal Astronauten Richtung Mond. Insgesamt haben zwölf Männer den Erdtrabanten betreten, alle US-Amerikaner. Und auch bei anderen Missionen in den Weltraum liegen männliche Astronauten weit vorne: Rund 550 Menschen waren bis heute im All, nur knapp 60 waren Frauen.

Das habe unter anderem mit stereotypen Vorstellungen zu tun, gegen die Wissenschaftlerinnen bis heute kämpfen müssen, meint Claudie Haigneré, Rheumatologin und ehemalige Astronautin. Denn Frauen werde generell technisches Desinteresse unterstellt. Gleichzeitig würden viele davor zurückschrecken, sich in männlich dominierte Felder vorzuwagen, so Haigneré.

Acht Tage ohne Makeup?

Nur zehn Prozent Frauen in der Raumfahrt - diese Relation könnte sich demnächst ein wenig verändern. Russland kündigte vor zwei Jahren an, eine ausschließlich weibliche Besatzung zum Mond schicken zu wollen. Das geplante Reisedatum ist 2029. Bei der Pressekonferenz wurden die Kosmonautinnen jedoch hauptsächlich nach Äußerlichkeiten gefragt: Wie die Frauen acht Tage ohne Makeup auskommen würden, ohne Shampoo und ohne Männer.

Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch das Dimensionen-Magazin am 14.12 um 19.05 Uhr in Ö1.

Claudie Haigneré kann diese stereotypen Vorstellungen nicht nachvollziehen. Schon allein purer Menschenverstand lege nahe, dass in einer solchen Extremsituation Geschlechterfragen überhaupt keine Rolle spielen. „Wo jemand herkommt oder welches Geschlecht jemand hat, spielt gar keine Rolle“, so die ehemalige Raumfahrerin. Das gesamte Training sei auf eine erfolgreiche Mission ausgerichtet. Man müsse sich auf die anderen verlassen können und nicht von menschlichen Unterschieden ablenken lassen.

Claudie Haigneré 2001 an Bord einer russischen Sojus-Rakete

AFP

Claudie Haigneré 2001 an Bord einer russischen Sojus-Rakete

Botschafter der Menschheit

Ob an den Universitäten oder in der Internationalen Raumstation ISS, nach Ansicht von Haigneré gibt es in diesen Bereichen noch immer viel zu wenige Frauen. Hier hat sich nicht viel geändert, seit die Medizinerin Mitter der 1980er Jahre beim französischen Zentrum für Weltraumforschung CNES angeheuert hat. „Damals war nur ein Bruchteil der Bewerberinnen Frauen“, erzählt Haigneré. 1985 wurden schließlich sieben Bewerber ausgewählt, sie war die einzige Frau.

Claudie Haigneré, die derzeit Beraterin der ESA ist, war anlässlich der Verleihung der L’Oréal „For Women in Science“-Stipendien vor Kurzem zu Gast an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien.

Claudie Haigneré flog im Lauf ihrer Karriere zwei Mal ins All: 1996 war sie Teil der russisch-französischen Mir-Cassiopée-Mission. 2001 besuchte sie als erste Europäerin die Internationalen Raumstation ISS. Heute ermutigt sie junge Wissenschaftlerinnen, einen ähnlichen Weg einzuschlagen, auch um mehr Vielfalt in den Weltraum zu bringen. „Als Astronauten sollten wir immer vielfältig sein, denn wir stehen exemplarisch für die gesamte Menschheit“, so die heute 60-jährige.

Vielfalt im All und auf der Erde

Doch Claudie Haigneré setzt sich nicht nur für Vielfalt im All ein, auch auf der Erde wünscht sie sich mehr Wissenschaftlerinnen in technologischen Schlüsseldisziplinen. Denn bis jetzt finde die Digitalisierung großteils ohne weibliche Beteiligung statt. „Wir brauchen aber alle Talente, um als Menschheit weiterzukommen“, so die ehemalige Politikerin. Für sie sei es deswegen eindeutig, dass man junge Frauen fördern muss. Denn davon würden alle profitieren.

Nach ihrer Karriere als Astronautin wagte sich Claudie Haigneré auch in andere männerdominierte Felder vor: Sie war drei Jahre lang Ministerin in Frankreich, Managerin bei der ESA, der europäischen Raumfahrtagentur, und Direktorin der beiden Pariser Wissenschaftsmuseen. Neues zu erkunden sei dabei immer ihr Antrieb gewesen, resümiert Haigneré. Denn das sei ein zutiefst menschliches Bedürfnis, unabhängig vom Geschlecht.

Marlene Nowotny, Ö1 Wissenschaft

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