Frauen sind zäher

Frauen haben schon immer länger gelebt als Männer, sogar bei Hungersnöten und in Krisenzeiten, berichten Forscher. Vermutlich gibt es bei der Lebenserwartung von Natur aus einen weiblichen Vorsprung - soziale Faktoren spielen aber eine wichtige Nebenrolle.

Eine heute in Österreich geborene Frau kann mit 84 Lebensjahren rechnen, ein Mann mit gut 79 (Statistik 2016). In puncto Lebenserwartung haben die Frauen in den allermeisten Ländern einen Vorsprung, auch wenn er seit einigen Jahren wieder leicht schrumpft. Der männlichen Nachteil ist zumindest zum Teil eine Folge des Lebensstils: Stress, Alkohol, Nikotin und riskantes Verhalten bringen Männer mitunter schneller ins Grab.

Dennoch deutet einiges darauf hin, dass Frauen - selbst bei identischer Lebensführung - immer etwas länger leben werden als Männer. Zum einen werden Frauen in relativ homogenen Gemeinschaften wie zum Beispiel im Kloster ebenfalls älter. Außerdem sterben selbst bei Neugeborenen mehr männliche Babys - Unterschiede im Verhalten können zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirksam sein.

Besser gerüstet für die Krise?

Was aber passiert unter extremen Lebensumständen, zum Beispiel während einer Hungersnot? Haben Frauen dann noch immer die besseren Karten? Diese Fragen - die bisher noch wenig untersucht wurden - haben sich die Forscher und Forscherinnen um Virginia Zarulli von der University of Southern Denmark in ihrer aktuellen Studie gestellt. Wenn das weibliche Geschlecht selbst in solchen Krisenzeiten länger lebt, haben Frauen diesen Vorteil vermutlich tatsächlich von Natur aus, so die Studienautoren.

Überprüft haben sie den Zusammenhang anhand von historischen Daten zu Krisensituationen in verschiedenen Populationen: Sklaven auf Trinidad im 19. Jahrhundert; befreite Sklaven, die zwischen 1820 und 1843 nach Liberia zurückkehrten und dort mit ungeahnten Schwierigkeiten wie etwa schweren Krankheiten kämpfen mussten. Fast die Hälfte starb im ersten Jahr nach ihrer Rückkehr. Weitere Datensätzen stammten von einer Hungersnot in der Ukraine im Jahr 1933, von zwei Masernepidemien in Island im 19. Jahrhundert und von der großen Hungersnot in Irland (1845 bis 1849) infolge der Kartoffelfäule.

Weibliche Babys im Vorteil

Tatsächlich lebten die Frauen in allen Populationen auch in Krisenzeiten durchschnittlich länger, wenngleich die Lebenserwartung insgesamt deutlich zurückging und der Vorsprung der Frauen im Vergleich zu vor und nach der Krise nicht mehr ganz so hoch war. Nur bei den Sklaven auf Trinidad war die Sterblichkeit bei Frauen in jungen Jahren etwas höher. Dafür könnte es den Forschern zufolge aber eine andere Erklärung geben. Junge männliche Sklaven waren für ihre Besitzer besonders viel wert, also hat man auch in ihr Überleben mehr investiert.

Die Kinder- bzw. Säuglingssterblichkeit hatte in allen Datensätzen den größten Einfluss auf die Geschlechterunterschiede, wie die Detailauswertung zeigte. Das heißt, weibliche Babys überlebten die Notlage fast überall deutlich häufiger als ihre männlichen Altersgenossen. Außerdem waren extrem alte Menschen in allen Gruppen meist Frauen.

Biologischer Vorsprung bleibt

Für den biologischen Vorteil von Frauen gibt es mehrere Erklärungen. Manche Forscher vermuten, dass sie das zweite X-Chromosom länger leben lässt. Aber auch hormonelle Unterschiede könnten eine Rolle spielen. Das weibliche Geschlechtshormon Östrogen soll beispielsweise die Immunabwehr stärken, wohingegen Testosteron ebendiese schwächt.

Dennoch könne die Biologie maximal einen Teil der heutigen Unterschiede bei der Lebenserwartung erklären, der Rest ist den Lebensumständen geschuldet, wie die Studienautoren betonen. So leben etwas Frauen in armen Ländern nicht so viel länger als Männer, da die Müttersterblichkeit sehr hoch ist.

Am größten ist der Abstand zwischen den Geschlechtern heute in reichen westlichen Industrienationen, erst in den letzten Jahrzehnten wird er vor allem dort langsam wieder kleiner. Da sich die Geschlechter bei der Lebensführung immer ähnlicher werden - im Positiven wie im Negativen -, schrumpft offenbar auch die Lücke bei der Lebenserwartung. Ganz verschwinden wird sie nach Ansicht der allermeisten Forscher allerdings nie.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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