Gleiche Gene, gute Freunde

Der letzte Schrei der Genetik heißt „Soziogenetik“ - von einer erstaunlichen Entdeckung in diesem Fach berichten jetzt US-Forscher: Freunde sind einander nicht nur in sozialer Hinsicht ähnlich, sondern auch genetisch.

Den alten Satz „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ gibt es in so ziemlich jeder europäischen Sprache. Die Franzosen setzen auf die Reimform - „Qui se ressemble s’assemble“, die Russen wiederum auf das Allgemeine im Konkreten: „Ein Fischer erkennt einen Fischer von fern.“ Und Amerikaner fügen der Bedeutung des Satzes nun eine neue Nuance hinzu, es geht um die Frage: Wenn Freunde, wie angenommen, einander gleichen - was ist eigentlich dieses „Gleiche“?

Die Seele und die Moleküle

Traditionell würde man mit Verweis auf Innerliches antworten: Interessen und Überzeugungen, Sympathie und Vertrauen, jedenfalls einiges von dem, was den Menschen als soziales Wesen definiert. Das stimmt wohl auch, doch ein Team um Benjamin Domingue von der Stanford University hat noch etwas anderes entdeckt: Freunde sind einander offenbar auch genetisch ähnlich, jedenfalls klar ähnlicher als zufällig ausgewählte Paare von mehr oder minder Gleichaltrigen.

Cast der TV-Serie "Friends"

Reuters

Freundschaft, medial und wissenschaftlich: Die TV-Serie „Friends“ begann wie die Langzeitstudie „Add Health“ in den 90ern

Das zeigen Daten einer Langzeitstudie aus den USA („Add Health“) - bei dieser Studie wurden Teenager ab den 90er Jahren mehrfach interviewt und medizinisch begleitet, 12.000 von ihnen gaben im Jahr 2008 eine Genprobe ab, die Domingue und seine Mitarbeiter nun analysiert haben.

Folge sozialer Sortierung

Warum Freundschaft auch eine genetische Komponente hat, kann nach Ansicht der Forscher zwei Ursachen haben. Entweder, weil sich Freunde aufgrund von Ähnlichkeiten (von Körpergröße bis Bildungserfolg) finden, die direkt vom Erbgut beeinflusst werden. Oder aber, weil die soziale Schicht solche Ähnlichkeiten vermittelt und verstärkt - dann wäre die Sortierung der Gene nur ein Nebeneffekt der Sortierung von Menschen.

Domingue fand Belege für beide Mechanismen. Das ist kein Widerspruch, vermutlich wirken sie parallel. Noch stärker dürfte die Angleichung bei Ehepaaren sein, wie der Stanford-Professor für „Soziogenetik“ bereits vor vier Jahren herausfand: Die teilen nämlich ebenfalls mehr Gene, als es der Zufall erlauben würde. Wortgeschichtlich betrachtet fügen sich die Befunde gut in den Rahmen, zumindest im Deutschen: Denn bis ins 17. Jahrhundert hatten die Wörter „Freundschaft“ und „Verwandtschaft“ fast die gleiche Bedeutung.

Robert Czepel, science.ORF.at

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