Auch Ameisen leisten Erste Hilfe

Afrikanische Matabele-Ameisen leben von der Jagd auf Termiten - diese ist allerdings äußerst gefährlich: Für den Notfall hat diese Insektenart ein Rettungsservice entwickelt, inklusive „wundärztlicher“ Versorgung.

Wie deutsche Forscher herausgefunden haben, sondern verwundete Tiere Duftstoffe ab, mit denen sie Kameraden zu Hilfe rufen. Die „Sanitäter“ der Kolonie schleppen die Verletzten heim, lecken ihre Wunden - und retten ihnen vielfach das Leben (siehe Video). Ohne die oft minutenlange Behandlung starben laut Studie 80 Prozent der Ameisen. Mit Erster Hilfe waren es bloß zehn Prozent.

„Wir vermuten, dass sie auf diese Weise die Wunde säubern und eventuell sogar antimikrobielle Substanzen auftragen, um die Gefahr von Infektionen mit Pilzen oder Bakterien zu verringern“, sagt Studienautor Erik Frank von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Studie

„Wound treatment and selective help in a termite-hunting ant“, Proceedings of the Royal Society B (14.2.2018).

Erstaunliche Anpassungen

Schon frühere Studien hatten gezeigt, dass Ameisen trotz ihrer kleinen Gehirne zu erstaunlichen Leistungen fähig sind. Ameisen auf den Fidschi-Inseln pflanzen etwa Samen von Kaffeegewächsen in Baumrinde, die sie pflegen und düngen - um später Nektar zu ernten und in den knolligen Gewächsen zu wohnen. In Australien treiben bestimmte Ameisen Raupen abends zum Fressen auf die Bäume und morgens wieder hinunter. Auch hierzulande gibt es „Viehzüchter“ unter den Ameisen: Sie pflegen Blattläuse, verteidigen sie gegen Marienkäfer und melken sie.

Amazonenameisen wiederum überfallen andere Ameisen und rauben diese als Sklaven. Die Königin zieht dabei in ein fremdes Nest ein und übernimmt auch die Brut. Bei diesen Raubzügen gibt es ähnlich wie bei den südlich der Sahara lebenden Matabele-Ameisen oft Verletzte.

„Immer wieder humpeln Individuen zurück ins Nest“, sagt der Zoologe und Ameisenforscher Jürgen Heinze von der Universität Regensburg (siehe Video). Bisher sei aber nicht beobachtet worden, dass sie sich so ausgeklügelt um die Verletzten kümmern wie die Matabele-Ameisen.

Ein Drittel verwundet

Die Unterstützung von Artgenossen sei bei vielen Tieren verbreitet. „Gegenseitige Pflege ist grundlegend bei Tieren, die in Gruppen leben“, sagt Heinze. Werden Ameisen mit Pilzsporen infiziert, bemühen sich andere, ihre Kolleginnen von den gefährlichen Sporen zu reinigen. Ameisen betrieben auch Gesundheitsvorsorge. Manche Waldameisen schleppten Harzstücke in ihren Bau - das Harz hat antibiotische Wirkung und tötet Keime in der Behausung.

Bisher nicht bekannt waren den Würzburger Forschern zufolge Insekten, die bei ihren Artgenossen Wunden pflegen, bis sie wieder auf die verbliebenen Beine kommen. „Ein Drittel der Ameisen, die zu Raubzügen ausziehen, hat ein Bein verloren“, sagt Frank. Selbst wenn den Tieren zwei ihrer sechs Beine fehlten, könnten sie fast wieder das Tempo ihrer unversehrten sechsbeinigen Artgenossen erreichen - und das schon nach 24 Stunden. Sie lernen mit fünf oder vier Beinen laufen - und sind zumeist gleich wieder auf dem Schlachtfeld dabei. „Die Veteranen müssen wieder losziehen.“

Schwerverletzten wird nicht geholfen

Schwer verletzten Ameisen wird nicht geholfen. Die Entscheidung treffen nicht die Helfer, sondern die Tiere selbst: Leicht verletzte Ameisen bleiben ruhig und ziehen sogar ihre verbliebenen Beine an, um den Abtransport zu erleichtern. Schwer verletzte hingegen gebärden sich wild und schlagen um sich - bis sie zurückgelassen werden (siehe Video).

„Die aussichtslosen Fälle sorgen also selbst dafür, dass keine wertvolle Energie in ihre Rettung investiert wird“, sagt Frank. „Das sind sehr pragmatische Rechnungen: Fitness steht im Vordergrund.“ Eine Matabele-Kolonie besteht aus etwa 1.000 Tieren. Ließen die Ameisen alle Verletzten liegen, würde die Kolonie dezimiert. Die Forscher haben berechnet, dass eine Kolonie mit der Verletztenhilfe rund 30 Prozent größer sein kann als ohne - beim selben Energieaufwand.

science.ORF.at/dpa

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