Warum Teenager auf Social Media abfahren

Teenager werden von Likes in sozialen Medien besonders angezogen. Neurowissenschaftler haben eine Erklärung dafür: Das Gehirn der Jugendlichen befindet sich durch das Online-Feedback in einer Dauerschleife.

Laut einer steirischen Jugendbefragung verbringen Jugendliche im Schnitt 4,5 Stunden täglich auf Social-Media-Kanälen wie Instagram, Youtube, WhatsApp oder Facebook. Eine vorgestern veröffentlichte deutsche Studie rechnet wiederum vor, dass knapp drei Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen süchtig nach Social Media sind. Hochgerechnet sind das etwa 100.000 Betroffene.

Dabei geht es auf diesen Plattformen nicht nur darum, sich zu vernetzen, sondern auch zu erfahren, ob man von anderen akzeptiert wird oder nicht, erklären die Psychologinnen Eveline Crone und Elly Konijn in einem Artikel im Fachjournal „Nature“.

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmete sich auch ein Beitrag im Morgenjournal am 2.3.

Likes für die Identitätsfindung

"Für Jugendliche ist die Meinung der Peers besonders wichtig, um ihre eigene Identität zu finden und zu entwickeln. Likes sind dabei ein Indikator, ob sie so akzeptiert werden“, so die Medienpsychologin Emily Konijn von der Vrije Universität Amsterdam. Gerade im Alter zwischen 15 und 18 seien Jugendliche gegenüber der Meinung anderer besonders sensibel und empfänglich. Den Beleg dafür liefern neurowissenschaftliche Studien der letzten Jahre.

„Wir sehen, dass in diesem Alter Regionen wie das ventrale Striatum besonders stark auf Belohnung wie Geld reagieren.“ Eine Gehirnregion, die zum Belohnungssystem zählt.

Dieselbe Reaktion zeigte sich bei Jugendlichen, die ein Foto mit vielen Likes ansahen. Wobei hier auch Collegestudenten eine erhöhte Gehirnaktivität aufwiesen. Zudem werden bei Online-Feedback auch Areale wie der ventromediale präfrontale Kortex sowie das ventrale tegmentale Areal aktiv. Auch hier handelt es sich um Regionen, wo Belohnungen und Genuss verarbeitet werden, so Konijn.

Kreislauf verstärkt sich selbst

Geht es nach der Psychologin, ist es vor allem dieser gesteigerten Empfindsamkeit geschuldet, dass viele Jugendliche täglich Stunden auf Youtube, WhatsApp, Instagram und Co. verbringen. Schließlich ist Feedback auf diesen Plattformen ein wesentlicher Bestandteil. Etwa in Form von Klicks und Likes, durch die hohe Anzahl von Freunden und Followern sowie durch Kommentare. „Es scheint, als würde diese erhöhte Sensibilität ihr Bedürfnis nach mehr sozialem Online-Feedback stärken. Diese Mechanismen füttern sich dabei quasi gegenseitig“, erklärt Konijn das Entstehen einer gewissen Dauerschleife.

Im Auge spiegelt sich ein Facebook-Daumen

dpa/Friso Gentsch

Likes erzeugen das Bedürfnis nach mehr Likes

Welche Folgen das für die Entwicklung des Gehirns und die Persönlichkeit konkret hat, darüber kann derzeit aber nur spekuliert werden, betont Konijn. Dennoch gibt die Psychologin zu bedenken, dass es den Studien zufolge keine Grenze mehr zwischen Offline und Online gibt. Positive wie negative Erfragungen in den sozialen Medien haben demnach grundsätzlich reale Auswirkungen, erklärt die Forscherin.

Zudem weist die Psychologin darauf hin, dass auf Facebook, Instagram und Co. die Feedback-Frequenz viel höher ist als offline - und zum Teil von Hunderten Nutzern kommt. „Es ist daher nicht auszuschließen, dass es hier einen verstärkten Einfluss gibt.“

Wichtige Entwicklungen in der Jugend

Dass die Jahre der Jugend für die Entwicklung grundsätzlich entscheidend sind, ist unbestritten. Nicht nur sprudeln die Hormone und Emotionen, auch das Gehirn erfährt einen großen Entwicklungsschub. Neuere Studien zeigen, dass sich in diesen Jahren sowohl die Struktur als auch die Funktion des Gehirns verändern, so die Psychologinnen Konijn und Crone.

Dabei verstärkt sich etwa die Kommunikation zwischen verschiedenen Gehirnregionen und somit auch die Fähigkeit, das eigene Verhalten zu steuern. Zudem sind Regionen im Wandel begriffen, in denen soziale Interaktionen verarbeitet werden. Nicht zuletzt deswegen sei man in dieser Entwicklungsphase sozial stark beeinflussbar, sagt Konijn.

Derzeit gleichen sich die negativen Einflüsse und die positiven allerdings noch aus, erklärt die Psychologin. So zeigen Studien zwar, dass mit der intensiveren Nutzung von sozialen Medien beispielsweise die Fähigkeit abnimmt, Belohnungen abwarten zu können. Gleichzeitig scheint die Nutzung aber eine andere Fähigkeiten zu begünstigen - etwa den schnellen Wechsel zwischen unterschiedlichen Aufgaben. Zudem kann sie das Gefühl verstärken, sich sozial verbunden zu fühlen. „Dass es auch positive Entwicklungen gibt, heißt aber nicht, dass wir etwaige negative Veränderungen außer Acht lassen dürfen“, sagt Konijn.

Einen Rat, den Experten Eltern immer wieder geben: Klare Regeln im Umgang mit sozialen Medien aufstellen und etwaige Zeitfenster bestimmen.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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