Fettzellen heilen Wunden

Lange wurde das Körperfett unterschätzt. Doch seit einiger Zeit verdichten sich Hinweise, dass das vermeintlich passive Depot erstaunliche Fähigkeiten besitzt. Jüngster Befund: Fettzellen wandern durch den Körper und unterstützen sogar die Wundheilung.

Als Anna Franz letztes Jahr die Körperflüssigkeit der Fliege Drosophila mit Mikroskop und Kamera untersuchte, wollte sie eigentlich das Verhalten von Immunzellen (Häomozyten) dokumentieren. Doch auf den Videos, aufgenommen in der nahen Umgebung einer Wunde, fielen ihr dunkle, bewegliche Schatten auf. „Ich fragte mich, ob das eventuell Zellen des Fettkörpers sein könnten“, so die Biologin von der University of Bristol, was der bisherigen Lehrmeinung widersprach. Denn Fettzellen, so hieß es bisher, sind passiv und unbeweglich.

Im Notfall: Ausschwärmen

Ein Lehrsatz, der nun in der Mottenkiste wissenschaftlicher Irrtümer entsorgt werden kann: Die Schatten entpuppten sich bei näherem Hinsehen tatsächlich als Fettzellen, die sich recht flott zu bewegen vermochten. Üblicherweise wandern Zellen im Inneren des Körpers mit Hilfe von Scheinfüßchen vorwärts, die Fettzellen indes bedienen sich eines ganz anderen, ungewöhnlichen Fortbewegungsstils: Sie sind offenbar „peristaltische“ Schwimmer, lassen Wellen durch ihren Zellkörper laufen und sorgen auf diese Weise für den nötigen Vortrieb.

Wie Franz mit ihrem Kollegen Paul Martin im Fachblatt „Developmental Cell“ berichtet, werden die Zellen durch Wunden aktiviert. Dann schwärmen sie aus und entwickeln, dort angekommen, erstaunliche Betriebsamkeit. Sie beseitigen molekularen Abfall, unterstützen die Immunzellen bei ihrer Arbeit und halten Bakterien von der Wunde fern, kurzum: Sie sind integraler Bestandteil der Wundheilung. „Sie arbeiten hart und sind als Teamplayer aktiv - das war bisher unbekannt“, sagt Martin.

Wunde im Insektenkörper

Fettzellen (grün) transportieren nekrotische Zellen (rot) im Wundbereich ab.

Wie die Fettzellen zu den Wunden finden, wissen die Forscher noch nicht. Dass sie von Immunzellen angelockt werden, können die beiden mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen. Denn die Fettzellen fanden ihr Ziel auch dann, wenn keine potenziellen Helfer aus dem Immunverband anwesend waren.

Auch bei Mäusen und Menschen?

Die schwimmende Fortbewegung der Fettzellen könnte jedenfalls auf einen blinden Fleck der Zellbiologie hindeuten, so Franz: „Bisher haben sich Wissenschaftler auf wandernde Zellen konzentriert, die sich an ein Substrat anheften, weil man so etwas viel einfacher in einer Gewebekultur beobachten kann.“

Nun wollen die britischen Molekularbiologen untersuchen, ob Ähnliches auch für die Fettzellen von Wirbeltieren gilt. Ganz überraschend wäre es nicht: Erst letzten Jänner fanden amerikanische Mediziner heraus, dass das Fettgewebe von Mäusen jede Menge Gedächtniszellen beherbergt - und diese im Notfall zum Infektionsherd entsendet. Das Bild vom passiven Fettdepot hat wohl endgültig ausgedient.

Robert Czepel, science.ORF.at

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