Österreichs Forschung droht zurückzufallen

400.000 Menschen leiden in Österreich an einer „Seltenen Krankheit“. Eben weil diese Erkrankungen so selten vorkommen, ist in der Forschung die internationale Vernetzung wichtig - aber da droht Österreich zurückzufallen, wie Experten kritisieren.

Als Musterschüler Europas möchte Österreich gern dastehen, wenn es um die Erforschung und Behandlung seltener Erkrankungen geht. Was positiv klingt, wirkt sich aber bei der Einrichtung spezialisierter Forschungszentren negativ aus. Von einem „überbordenden administrativen Prozess“ spricht Christiane Druml, stellvertretende Leiterin des Ludwig-Boltzmann-Instituts für seltene und unbekannte Erkrankungen: „Das ist so, als würde man Marcel Hirscher nach unzählig gewonnenen Weltcup-Rennen noch weitere Prüfungen auferlegen, damit man sieht, ob er überhaupt an den olympischen Spielen teilnehmen kann.“

Seltene Erkrankung:

Darunter versteht man eine Krankheit, von der pro 10.000 Menschen nicht mehr als fünf betroffen sind. Um auf das Thema aufmerksam zu machen, wird jährlich am 28. Februar der „Tag der Seltenen Erkrankungen“ begangen.

Denn an der wissenschaftlichen Qualifikation der handelnden Personen zweifelt niemand, so Druml - nur die Anerkennung als Zentrum dauere eben lange. In jedem Land der EU werden derzeit Zentren eingerichtet, an denen Seltene Erkrankungen erforscht und therapiert werden. Sie sind die Ankerpunkte europäischer Referenznetzwerke. In Österreich gibt es derzeit zwei Zentren, eines in Salzburg zu vererbten Hauterkrankungen - Stichwort „Schmetterlingskinder“ - und eines in Wien zu Krebserkrankungen bei Kindern. Sechs neue Zentren sind geplant, beispielsweise zu Missbildungen von Schädel und Gesicht und Wachstumsstörungen. „Aber wenn man vergleichbare Länder wie zum Beispiel die Niederlande ansieht, die 90 solche Zentren haben, Belgien 67 - dann ist das schon ein eklatanter Unterschied“.

Weniger Geld, weniger Netzwerke

Ö1 Sendungshinweis:

Über seltene Erkrankungen berichtet auch das Mittagsjournal und das Ö1 Gesundheitsmagazin.

Zu den europäischen Schlusslichtern zu gehören, bedeutet auch, „weniger Geld und schlechteren Zugang zu Netzwerken zu haben“ - beides „sehr schwerwiegend“, so Druml. Aber nicht nur für die Forschung, sondern auch für die Patientinnen und Patienten. Ein Zentrum sei auch für sie erste Anlaufstelle, um ihrer Krankheit auf die Spur zu kommen und durch eine internationale Studie eventuell eine Therapie zu erhalten.

Bei der Gesundheit Österreich, wo die nationale Koordinierungsstelle für seltene Erkrankungen im Auftrag des Gesundheitsministeriums angesiedelt ist, sieht man auf Anfrage von Ö1 kein Problem in der geringen Zahl von Zentren in Österreich. Man habe sich auf hohe Standards verständigt, ein Vergleich mit anderen Ländern sage deshalb nicht viel aus. Am vielstufigen Procedere, bei dem neben Ministerium und Wissenschaft auch Sozialversicherung und Bundesländer ihren Sanktus geben müssen, will man festhalten.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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