„Fake News“: Warnung vor „Faktor Mensch“

Falschnachrichten verbreiten sich in der virtuellen Welt schneller und weiter als die Wahrheit. Für die Kommunikationswissenschaftlerin Sophie Lecheler ist dieser Befund einmal mehr Anlass, über Strategien im Umgang mit Sozialen Medien nachzudenken.

Studien wie die nun in „Science“ publizierte Analyse seien dringend nötig, um die nötige Debatte über Soziale Medien mit Zahlen und Fakten zu unterfüttern, so die Expertin für politische Kommunikation im Interview mit science.ORF.at.

science.ORF.at: Die Diskussion über Fake News konzentrierte sich zuletzt stark auf Social Bots, also kleine Programme, die automatisiert Postings absetzen oder verstärken. Damit werde Meinung gemacht, so die Annahme - was laut aktueller Studie nicht stimmt. Was bedeutet dieser Widerspruch?

Sophie Lecheler: Dass es in der Debatte nicht nur um Algorithmen und Bots geht, sondern dass Menschen auf Basis von emotionalen Reaktionen Falschnachrichten verbreiten. Schon früher hat man gesehen, dass sich mit technologischen Entwicklungen auch oft eine Panik entwickelt nach dem Motto: „Das Ende der Zivilisation droht“. Die Angst vor Bots, vor Algorithmen ist sehr verständlich. Aus der Forschung aber wissen wir, dass es nicht nur die Bots sind, die Falschmeldungen verbreiten, die dafür sorgen, dass wir in Filterblasen leben.

Sophie Lecheler, Expertin für politische Kommunikation, Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien

Privat

Zur Person:

Sophie Lecheler ist Professorin am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft. Ihr Schwerpunkt liegt auf politischer Kommunikation, insbesondere Interessen: das Framing von Botschaften, Gefühle in der Politik und politischer Journalismus.

Also kann man Entwarnung geben?

Naja, das bedeutet im Gegenzug nicht, dass Bots gar keine Rolle spielen. Man muss sie weiter beobachten und möglichst nüchtern analysieren. Die aktuellen Erkenntnisse geben aber einen deutlichen Hinweis, dass es die Menschen sind, die Falschnachrichten schneller verbreiten als richtige Meldungen. Die Studie als Entwarnung für diejenigen, die sich nur wegen Bots Sorgen machen? Ja, zum Teil. Aber sie ist eine Warnung vor dem Faktor Mensch.

Warum verbreiten Menschen so gerne Falschnachrichten?

Zum Thema „Fake News“ sind derzeit mehrere Studien am Laufen, da muss man noch etwas zuwarten. Um Antworten zu geben, kann man sich aber durch Arbeiten zu Verschwörungstheorien weiterhelfen. Da wissen wir einiges, warum sie für viele Menschen so interessant sind: Sie geben einfache Antworten auf komplexe Fragen. Verschwörungstheorien - wie auch viele Falschmeldungen - sind überraschend, aber auch in sich sehr logisch. Sie sind eng verbunden mit emotionalen Reaktionen - und da schließt sich der Kreis zur Politik, die auch immer mehr von Gefühlen geprägt ist. Wir werden immer gefühlsbetonter in unserer Kommunikation über Politik und die Welt.

Was weiß man denn zu Österreich und die Bedeutung, die False oder Fake News hierzulande haben?

Leider nur sehr wenig. Diese datengetriebene Forschung kommt großteils aus den USA und ist auf heimische Verhältnisse nur in den Allgemeinplätzen übersetzbar: dass junge Menschen sich politisch vor allem durch Social Media informieren, dass immer weniger Zeitungen gekauft werden. Im Detail gibt es große Unterschiede, Twitter spielt hier etwa bei Weitem nicht so eine große Rolle wie in den USA. Wie weit verbreitet Falschmeldungen im österreichischen Diskurs sind, dazu werden gerade die ersten Studien gemacht.

Was kann man denn nun tun, um die starke Verbreitung von Falschmeldungen einzubremsen?

Die Verantwortung liegt natürlich bei jedem und jeder Einzelnen selbst, den klassischen und sozialen Medien und bei der Politik. Schon früh Medienkompetenz zu fördern, zu wissen, was sind vertrauenswürdige Quellen, woher kommt eine Information - solches Wissen sollte in Schule und Elternhaus vermittelt werden. Ziel wäre eine Art Impfung, eine Immunisierung gegen Falschmeldungen. Journalisten tragen Verantwortung, indem sie das pure „fact checking“ noch stärker betonen. In Österreich passiert das noch zu versteckt, das muss deutlich sichtbarer werden. Und Politik muss das Vertrauensverhältnis mit Medien pflegen und kooperieren im Auftrag der Informationsfindung. Jeder und jede trägt hier Verantwortung.

Interview: Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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