Wie gerecht sind neue Netzwerktarife?

Der Elektrizitätsmarkt wandelt sich, unter anderem weil manche Strom selbst erzeugen, z.B. mit Solaranlagen. Neue Tarifmodelle sollen die Kosten weiterhin gerecht aufteilen. Das könnte aber finanziell schwache Haushalte belasten, wie Linzer Forscher berechnet haben.

Derzeit richten sich die Preise sehr stark am Gesamtverbrauch, egal zu welcher Tageszeit der Strom konsumiert wird. Wer einen Teil davon mit einer Solaranlage am Dach herstellt, zahlt entsprechend weniger. Die höchsten Kosten verursachten aber Stromspitzen, wenn am Abend alle zuhause sind, das Licht brennt, die Waschmaschine läuft, gekocht, Computer gespielt und ferngesehen wird, denn der Netzwerkbetreiber müsse die Anlagen so groß auslegen, dass sie mit den Stromspitzen aller Verbraucher zurechtkommen, erklärt Johannes Reichl vom Energieinstitut der Universität Linz. Zu dieser Tageszeit ist es außerdem meist schon finster, und die Photovoltaik-Anlagen am Dach sind inaktiv.

Deshalb gebe es in der österreichischen Netztarifverordnung ein Modell, um die Kosten teils nach den Spitzenwerten zu berechnen. „Er wird zwar auf der Haushaltsebene heute noch nicht angewendet, aber dass er in der Tarifverordnung steht, zeigt grundsätzlich schon, dass auch in Österreich in diese Richtung gedacht wird“, sagte Reichl. Obwohl man damit vielleicht mehr Kostenwahrheit herstellen könnte, sollte man aber mit Änderungen vorsichtig sein: Dadurch würden die Netzgebühren für manche Haushalte nämlich auf das Fünffache steigen.

Übermäßige Belastung

Mit Kollegen hat Reichl Stromverbrauchsdaten von 765 oberösterreichischen Haushalten hergenommen und anhand von elf Tarifmodellen mit unterschiedlich starker Spitzenwertbepreisung ausgerechnet, wie viel diese Haushalte dann zahlen würden. Die Bandbreite war von der Hälfte bis zum Fünffachen. „Wenn man so eine Systemumstellung also von heute auf morgen machen würde, wäre das für eine große Anzahl von Haushalten eine übermäßige Belastung“, so der Forscher. Bis jetzt sei nur klar gewesen, dass es dadurch Verschiebungen gibt, wer aber die Hauptlast trage, wurde erst durch die sehr detaillierten Verbrauchsdaten in der Studie vorhersagbar.

Dies seien vor allem Haushalte, die keine Möglichkeit haben, ihre Lastspitzen zu senken, weil sie sich nicht immer die allerneuesten, energiesparendsten Geräte zulegen, und den Verbrauch nicht flexibel auf den Tag verteilen können, da etwa Waschmaschine und Geschirrspüler so alt sind, dass sie keine Zeitvorwahl haben. Vor allem sozioökonomisch schwache Gruppen würden also zum Handkuss kommen. „Die Netzwerktarife kommen nicht am freien Markt zustande, sondern werden von der Regulierungsbehörde vorgegeben“, erklärte Reichl. Es läge daher an der Politik, eine für alle tragfähige Lösung zu finden.

science.ORF.at/APA

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