Mexiko-Protest wichtiger Schritt für Völkerrecht

Vor 80 Jahren war Mexiko das einzige Land, das vor dem Völkerbund gegen den „Anschluss“ Österreichs protestierte. Die Protestnote von 1938 trug auch zur Entwicklung des Völkerrechts bei.

Der Völkerrechtler Gerhard Hafner bezeichnete sie Dienstagabend bei einem Symposium im Wiener Juridicum als wichtigen Schritt für die Entwicklung der späteren Vereinten Nationen.

Hafner erinnerte daran, dass damals in der ganzen Staatengemeinschaft kein Land dem Schritt Mexikos gefolgt sei. „Die Note kann im allgemeinen Kontext der mexikanischen Außenpolitik eingeordnet werden.“ In historischen Analysen wird darauf verwiesen, dass Mexiko kurz zuvor die Erdölindustrie verstaatlicht hatte und der Völkerbund-Protest zugleich ein Signal an den mächtigen Nachbarn USA war, der diese Verstaatlichungen nicht goutierte. Auch Österreich stand 1938 dem großen Nachbarn Deutschland gegenüber. Der Protest musste rasch und in klaren Worten erfolgen. „Das war bei Mexiko der Fall.“

Lob vom Ex-Bundespräsidenten

Mexiko setzte nach dem Protest beim Völkerbund auch Taten. Das mexikanische Honorarkonsulat in Wien wurde nicht mehr neu besetzt, sondern geschlossen, erläuterte der Völkerrechtler. So blieb es Mexiko erspart, seine diplomatische Vertretung nach Berlin zu übersiedeln. Die Leistungen des mexikanischen Vertreters beim Völkerbund, Isidro Fabela, der die Note verfasste und übermittelte, sind dennoch unbestritten.

Ex-Bundespräsident Heinz Fischer, der den Ehrenschutz des Symposiums innehatte, lobte die Zivilcourage des mexikanischen Gesandten Isidro Fabela: „Er hat auf sein Innerstes gehört.“ Es sei „betrüblich“, dass 1938 nur Mexiko seine Stimme gegen den Nazi-Einmarsch erhob.

Der Historiker Oliver Rathkolb lobte das Engagement Fabelas in der damals angespannten politischen Lage. Er verwies auf die zahlreichen Veranstaltungen, die auch in Mexiko rund um das Gedenken an 1938 stattfinden.

1.500 Österreicher fanden Asyl

Der mexikanische Völkerrechtsexperte Alberto Szekely hob in seinem Referat hervor: „Interessen von Staaten werden von historischen Erfahrungen diktiert.“ In diesem Sinne erblickte er auch Parallelen zwischen Mexiko und Österreich. So sei Mexiko während des Ersten Weltkriegs neutral gewesen. Auf internationaler Ebene hätten österreichische und mexikanische Experten bei der Erarbeitung von Konventionen eng kooperiert, so Szekely, der für die Regierung Mexikos ebenso tätig war wie für das Haager Schiedsgericht.

Christian Kloyber, der intensiv über die österreichischen Exilanten in Mexiko geforscht hat, schilderte das damalige Kulturleben. Rund 1.500 Österreicher, unter ihnen viele Künstler und Kommunisten, hatten zwischen 1938 und 1945 in Mexiko Asyl gefunden. Unter den deutschsprachigen Literaten formierte sich eine antifaschistische Liga.

Nur ein Drittel kehrte zurück

Eine deutschsprachige Buchhandlung wurde gegründet, 50.000 Bücher wurden gedruckt. Deutschsprachige Radiosender („La Voz de Austria“) strahlten klassische Musik und Opern aus, brachten Programme über österreichische Literaten (von Heinrich Heine bis Stefan Zweig). Die Zeitschrift „Austria Libre“ unter Bruno Frei wurde publiziert, „verbotene Musik“, etwa von Ruth Schönthal, präsentiert. Der Wiener Surrealist Wolfgang Paalen organisierte 1939 eine internationale Surrealisten-Schau.

Was wurde aus diesen intellektuellen Emigranten nach dem Krieg? Kloyber schätzte, dass ein Drittel nach Österreich zurückkehrte, ein weiteres Drittel eine Rückkehr in die alte Heimat versuchte, diese aber dann wieder verließ. Es ist kein Geheimnis, dass Österreich sich nicht um eine Rückkehr der Österreicher bemühte, die vor den Nazis geflohen waren.

Nach den Worten von Rathkolb organisierte einzig und allein die KPÖ eine Rückkehr ihrer Sympathisanten, von Großbritannien bis Mexiko. Viele österreichische Kommunisten, die in Mexiko der Nazi-Herrschaft entkommen waren, erhielten auch keine Transitvisa für europäische Staaten. Es herrschte Kalter Krieg.

science.ORF.at/APA

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