Keine Grundlagen für Bildungspolitik

Kürzlich haben die PISA-Tests an den Schulen begonnen. Bei den Schulleistungstests wie PISA, TIMSS und PIRLS hinkt Österreich hinterher. Doch die Tests sagen nichts über die Qualität eines Schulsystems aus, so Forscher.

Ursprünglich sollten laut der OECD internationale Vergleichstests wie PISA, bei denen die Lesefähigkeiten sowie Kenntnisse in Mathematik und Naturwissenschaften von Schülern abgefragt werden, die Bildungspolitik in den Mitgliedsstaaten anregen. Das hat man auch geschafft. Als Grundlage für bildungspolitische Entscheidungen eignen sich die Schülerüberprüfungen allerdings nicht, wie nun US-Statistiker im Fachjournal „Science“ schreiben.

Ihnen zufolge gibt es nämlich 50 bis 75 Faktoren, die für die Ergebnisse ausschlaggebend sind - so viele, wie Länder teilnehmen. Demnach sei es unmöglich festzustellen, welches eine Merkmal wirklich den Unterschied bei den Schülerleistungen ausmacht. „Man kann aus solchen Daten zwar Beobachtungen folgern, aber überhaupt nichts Kausales sagen“, sagt auch der Bildungswissenschaftler Stefan Hopmann von der Universität Wien.

Viel Interpretationsspielraum

Das Problem dabei: „Weil die Daten selber keine Antworten liefern, liest sie jeder, wie er will“, so der Bildungsexperte. Während die einen sich darin bestätigt sehen, dass Gesamt- und Ganztagsschule das Mittel zum Erfolg sind und Finnland letztlich deshalb auf Platz fünf gelandet ist, übernehmen Länder wie Großbritannien Schanghais Methode für den Mathematikunterricht, in der Hoffnung, auf der PISA-Leiter nach oben zu kommen.

Die Ergebnisse lassen sich aber nicht so einfach zwischen den Ländern vergleichen. Zum einen da die abgefragten Schülergruppen von Land zu Land variieren. Während in Singapur, Mexiko, China und in der Türkei oftmals mehr als ein Drittel der Jugendlichen von dem Test im Vorhinein nicht erfasst werden, etwa weil sie frühzeitig aus dem Schulsystem fallen oder wie in China ausgeschlossen werden, wird in Südkorea so eifrig Nachhilfe in Anspruch genommen wie in kaum einem anderen Land. Dabei werden die Schüler zum Teil gezielt auf solche Tests vorbereitet. „Das sind ein Haufen solcher Hintergrundgeschichten, die alle eine Rolle spielen und sich auswirken können“, so Hopmann.

Ergänzungsstudien wären aufschlussreich

Es gibt allerdings durchaus Möglichkeiten, die Daten von PISA, TIMSS und Co. besser zu verwenden, und zwar durch zusätzliche, landesinterne Ergänzungsstudien, wie sie etwa in Dänemark und in der Schweiz durchgeführt werden. Hier analysiert man etwa die Entwicklung der PISA-Teilnehmer über einen längeren Zeitraum hinweg weiter.

„Wenn ich Kinder von der Volksschule durch die gesamte Sekundarschule begleite, dann kann ich nach zwei, drei, vier und fünf Jahren sehr genau schauen, wie sich der Schulstart ausgewirkt hat, welche Erfahrungen eine zentrale Rolle gespielt haben und welche Eigenschaften einer Schule bzw. eines Unterrichts tatsächlich einen messbaren Einfluss auf die Leistungsentwicklung haben“, weiß Hopmann auch aus eigenen Forschungen.

In Österreich gab es solche weiterfolgenden Untersuchungen mit PISA und den anderen Daten bisher allerdings nicht, so der Bildungswissenschaftler. „Es wäre wichtig, wenn es in Österreich eine substanzielle Förderung für Vergleichsstudien, Längsschnittstudien sowie Experimentalstudien im Bildungsbereich gäbe. Das sind die ausdrucksstärksten Forschungsformate.“ Eine Forderung, die auch die US-Statistiker in ihrem Artikel äußern.

Jede Schule braucht eigenen Charakter

Schließlich stecke in solchen qualitativen Untersuchungen auch der Schlüssel zum „richtigen“ Schulsystem - und das muss laut Hopmann jede Schule für sich entwickeln. „Es gibt nicht das eine Modell, das auf alle passt. Vielmehr spielt es eine Rolle, wo sich die Schule befindet, aus welchem sozialen sowie kulturellen Umfeld die Schüler kommen und welche Lernchancen und -erfahrungen sie mitbringen. Jede Schule muss die Möglichkeit haben, sich hier so gut es geht auf ihre Klientel einzustellen und sich einen eigenen Charakter zu geben“, so der Bildungsexperte, der bereits einige Schulstandorte und die Lernerfolge untersucht hat.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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