Alkoholrichtwerte zu hoch

Ein Gläschen Wein am Tag schadet nicht, hieß es früher. Forscher widersprechen: Ihnen zufolge sind schon geringere Mengen Alkohol schädlich. Die Richtwerte für unbedenklichen Konsum seien in vielen Ländern zu hoch angesetzt - auch in Österreich.

100 Gramm reiner Alkohol pro Woche - das entspricht etwa sieben Achterl Wein oder vier Krügel Bier - senkt laut der Überblicksstudie im Fachblatt „The Lancet“ bereits die Lebenserwartung. In vielen Ländern liegt der wöchentliche Grenzwert, also die maximal tolerierbare Menge, deutlich darüber.

In den USA gelten etwa 196 Gramm für Männer und 98 Gramm für Frauen. In Kanada, Italien, Portugal und Spanien liegen die Werte ebenfalls höher. Hierzulande gelten nach Angaben der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung 140 Gramm für Männer und 70 Gramm für Frauen als akzeptabel. Das Forscherteam hatte 83 Studien aus 19 wohlhabenden Ländern mit insgesamt fast 600.000 Teilnehmern ausgewertet. Bei der Datenanalyse berücksichtigten die Autoren auch andere Einflussfaktoren, unter anderem Alter, Geschlecht, Tabakgebrauch und Diabetes.

Höheres Risiko für Herzleiden

Das Resultat: Ab einer Menge von 100 Gramm pro Woche verkürzte Alkohol bei Männern wie bei Frauen die Lebenserwartung. Außerdem erhöhte der Konsum die Gefahr für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, hier ohne klaren Schwellenwert. „Die zentrale Botschaft dieser Forschung für die öffentliche Gesundheit lautet: Wenn Sie Alkohol trinken, kann ein geringerer Konsum Ihnen helfen, länger zu leben und Ihr Risiko für mehrere Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken“, sagt Erstautorin Angela Wood von der Cambridge University.

„Das Mortalitätsrisiko steigt bei einem Alkoholkonsum von mehr als hundert Gramm pro Woche an“, sagt Epidemiologe Peter Willeit von der neurologischen Universitätsklinik der MedUni Innsbruck. Er ist mit dem Innsbrucker Neurologen Stefan Kiechl (Universitätsklinik) einer der Koautoren der Studie.

Höherer Alkoholkonsum war der Untersuchung zufolge mit einem höheren Risiko für Schlaganfall, Herzschwäche, Bluthochdruck und einem tödlichen Aorten-Aneurysma verbunden. Allerdings ging er mit einer etwas geringeren Gefahr für nicht tödliche Herzinfarkte einher. Koautor Dan Blazer von der Duke University in Durham ruft Ärzte dazu auf, ihre Patienten auf die neuen Erkenntnisse hinzuweisen. „Diese Studie hat gezeigt, dass der Konsum von Alkohol in einer Menge, die als sicher galt, tatsächlich mit einer geringeren Lebenserwartung und mehreren ungünstigen gesundheitlichen Folgen verbunden ist.“

„Grenzwerte neu überdenken“

„Diese Studie hat durch ihre Stichprobengröße eine hohe Aussagekraft“, kommentierte Hans-Jürgen Rumpf von der Universität Lübeck. Er plädiert dafür, die aktuellen Grenzwerte „neu zu überdenken und nach unten zu korrigieren“. Michael Roerecke von der University of Toronto, er war ebenso wie Rumpf nicht an der Studie beteiligt, sagt: „Jeglicher Alkoholkonsum ist mit einem Risiko verbunden, und weltweit überwiegt der negative Einfluss bei Weitem. Speziell bei Frauen ist mit jedem Konsum ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs verbunden. Das erhöhte Risiko - auch für Mund- und Speiseröhrenkrebs - ist vielen nicht bewusst.“

science.ORF.at/dpa

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