Projektion erinnert an Aufstand im Ghetto

Vor 75 Jahren haben die Nazis die Große Synagoge von Warschau in die Luft gesprengt, nun kann man sie wieder sehen. Allerdings nur kurz: als Multimedia-Projektion zum Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto am 19. April.

Heute steht an der Stelle des jüdischen Gebetshauses ein fast 30-stöckiges Glashochhaus. In seinen Fenstern spiegelt sich nun die Große Synagoge und zieht die Blicke neugieriger Passanten auf sich.

„Viele Menschen wissen gar nicht mehr, dass hier einst die Synagoge stand“, sagt die Künstlerin Gabi von Seltmann, die das ändern wollte. Ihr Projekt entstand in Zusammenarbeit mit der sich gegen Antisemitismus engagierenden Organisation „Offene Republik“ und mehreren jüdischen Institutionen Warschaus. „Deswegen haben wir die Synagoge aus Archivmaterial wiederaufgebaut“, sagt die Künstlerin. Für die virtuelle Rekonstruktion verwendete sie auch Fotos der Ruinen. Während der knapp sechsminütigen Projektion richtet sich das Gebäude aus dem Schutt wieder auf. „Es ist ein Projekt, das die Erinnerung wiederherbringen soll an den Ort und an die jüdische Gemeinschaft.“

Bundeskanzler Willy Brandt kniet am 7. Dezember 1970 vor dem Mahnmal im einstigen jüdischen Ghetto in Warschau, das dem Ghetto-Aufstand  gewidmet ist

dpa

Bundeskanzler Willy Brandt kniet am 7. Dezember 1970 vor dem Mahnmal im einstigen jüdischen Ghetto in Warschau, das dem Ghetto-Aufstand gewidmet ist

Symbol des jüdischen Widerstands

Fast eine halbe Million Juden aus Warschau und Umgebung wurden während des Zweiten Weltkriegs im größten Ghetto der Nazis für die jüdische Bevölkerung eingesperrt. Es gab nur wenige Überlebende. Viele Menschen starben bereits in dem überfüllten Ghetto an Hunger oder Epidemien. Tausende wurden erschossen oder von den Nazis in Vernichtungslager deportiert.

Verzweifelt versuchten etwa 750 jüdische Aufständische schließlich, sich gegen die massenhafte Deportation in die NS-Todeslager zu wehren. Am 19. April 1943 fielen die ersten Schüsse ihrer Rebellion, die als Symbol des jüdischen Widerstands in die Geschichte einging. Die jungen Männer und Frauen wollten lieber mit Würde und im Kampf statt in den Lagern sterben. Nach fast einem Monat scheiterten sie, die Deutschen waren zahlenmäßig weit überlegen.

Nach der blutigen Niederschlagung ihres Widerstands wurde die Synagoge auf Befehl von SS-Gruppenführer Jürgen Stroop zerstört. Zur symbolträchtigen Sprengung schrieb er am 16. Mai 1943 in seinem Tagesbericht: „Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk Warschau mehr.“ Doch der Kampfgeist der jüdischen Aufständischen wurde bereits während des Kriegs über die Grenzen Polens hinaus bekannt.

Im Schatten des neuen Holocaust-Gesetzes

Auch 75 Jahre später will Polen ihren Mut ehren. Dazu werden tausende Freiwillige in der ganzen Stadt gelbe Osterglocken aus Papier verteilen, die an den Judenstern erinnern. Marek Edelman, der letzte überlebende Anführer des Aufstands, legte sie jedes Jahr bis zu seinem Tod 2009 vor dem Denkmal der Ghetto-Kämpfer nieder.

Vor dem zentralen Ehrenmal sind in diesem Jahr Feierlichkeiten mit Präsident Andrzej Duda geplant. Allerdings hatte Polen zu Jahresbeginn mit einem umstrittenen Holocaust-Gesetz die Regierung Israels sowie viele Juden auf der ganzen Welt verärgert. Die Vorschrift sieht strenge Strafen, sogar Haft, für diejenigen vor, die dem polnischen Staat oder Volk die Verantwortung oder Mitverantwortung für Verbrechen des Nazi-Regimes zuschreiben. Damit wolle die Warschauer Regierung von Polen begangene Verbrechen vertuschen, bemängeln Kritiker.

Von Seltmann, deren Großvater in Auschwitz starb, will mit ihrem Projekt ein positives Zeichen setzen. Obwohl die Synagoge nur an einigen Abenden wieder an ihrem alten Standort erscheinen wird, will die Polin ihre Landsleute langfristig bewegen. „Das Projekt soll berühren. Ich hoffe, dass dadurch bei den Menschen ein Gefühl geweckt wird, das für länger bleibt.“

Natalie Skrzypczak/dpa

Mehr zu dem Thema: