Mit dem Presslufthammer gegen den Klimawandel

Eine Antwort auf die Klimaerwärmung in Städten ist: mehr Grün. Gegen Hitze und Starkregen helfen mehr Bäume und Wiesen. Auch Betonflächen, etwa bei Straßenbahngleisen, sollten für Pflanzen aufgebrochen werden, meint nun eine Expertin.

Die Ingenieurbiologin Rosemarie Stangl von der Universität für Bodenkultur Wien sucht gemeinsam mit ihren Forschungsgruppen nach Möglichkeiten, wie man die Städte grüner machen kann.

science.ORF.at: Begrünung dient als Mehrzweckwaffe gegen die negativen Folgen des Klimawandels in der Stadt: Luftverschmutzung, Hitze und Überschwemmungen ...

Rosemarie Stangl: Nun, diese Probleme, die mit zu vielen versiegelten Flächen einhergehen, sind lange bekannt. Aber erst mit der öffentlichen Diskussion über den Klimawandel wurde dieses Thema attraktiv. Ein Problem ist unter anderem, dass künftig stärkere und intensivere Regenfälle erwartet werden. Auf betonierten Flächen können diese nicht versickern, sondern sammeln sich auf der Oberfläche. Die Kanalisation hat Probleme, die Wassermengen abzuleiten.

Einige Kollegen sehen die Lösung in neuen, erweiterten Kanalisationssystemen, Sie auch?

Stangl: Das allein wird nicht reichen, wie man jetzt weiß. Es braucht wirklich ein vielseitiges, integriertes Regenwassermanagement, das auch offene Wiesenflächen miteinbezieht, auf denen das Wasser verzögert versickern und verdunsten kann. So können etwa am Straßenrand Grünflächen oder auch Sickermulden angelegt werden, die unterirdisch aus vielen verschiedenen Schichten bestehen und an ein Kanalisationssystem angeschlossen sind. So wird Wasser zwischengespeichert oder abgeleitet. Zum anderen sind auch Teiche oder andere „blaue“ Infrastrukturen notwendig, die Wasser verdunsten können.

Veranstaltungshinweis

Rosemarie Stangl hielt am Donnerstag, den 19.4. im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Mut zur Nachhaltigkeit“ in Wien den Vortrag „Green we go: Grüne Perspektiven für eine nachhaltige Stadtentwicklung“. Veranstalter der Vortragsreihe ist das Umweltbundesamt.

Heißt das, man müsste bestehende Beton- und Asphaltflächen aufreißen und neu begrünen bzw. bewässern?

Stangl: Das ist eine Möglichkeit, und es ist meines Erachtens auch notwendig, versiegelte Flächen, die nicht notwendigerweise als solche gebraucht werden, zu entsiegeln. Je nach Nutzung und Belastungsart (Kinderwagen, Fahrrad, Pkw) sowie Befahrungsfrequenz kann man unterschiedliche Oberflächenbefestigungen anwenden, die kompakt und zugleich wasserdurchlässig sind. Hier gibt es neue Technologien am Markt, wie etwa wassergebundene Decken. Diese bestehen an der Oberfläche aus sehr feinem Sand, der sich gut verdichten lässt. Zudem gibt es kunstharzgebundene Belege. Sie ähneln dem Boden früherer Tennisplätze, sind aber versickerungsfähig. Es sind Edelsplitte oder mineralische Zuschlagstoffe, die mit einer Bindemasse stabilisiert werden. Darauf können sowohl Autos als auch Einsatzfahrzeuge fahren. Solche Bodensysteme muss man aber sehr ziel- und funktionsgerichtet einsetzen.

Mögliches Szenario des Wasserkreislaufs

IBLB, Pitha und Enzi

Stangl: In Wien sehe ich derzeit ungenutztes Potenzial auch in der Begrünung von Straßenbahngleisen. Das wird in anderen Städten schon in größerem Umfang gemacht. Wie weit man das umsetzen kann, hängt natürlich davon ab, ob die Gleise auch von Autos und Lkws befahren werden oder nicht. Abgesehen davon spielen begrünte Dächer und Wände eine wichtige Rolle beim Regenwassermanagement. Grüne Dachflächen nehmen ebenfalls Regenwasser auf und geben es zeitverzögert ab. Zudem würde das über die Pflanzen verdunstende Wasser die Umgebungsluft in der Innenstadt erheblich kühlen und den Feinstaub vermindern. Denselben Effekt haben auch begrünte Fassaden, Brückensäulen oder andere Vertikalstrukturen. Das sind jedoch zum Teil hochkomplexe Systeme.

Inwiefern?

Stangl: Zum Beispiel ist derzeit noch eine große Herausforderung, wie man die Wände effizient und nachhaltig bewässert. Vor allem südseitig kommen die Pflanzen nicht ohne Bewässerung aus. Ideal ist, wenn man die Grünwände in den Regenwasserkreislauf miteinbezieht und sie nicht ununterbrochen tröpfchenweise bewässert wie in herkömmlichen Systemen. Wir arbeiten bereits an Modellen, wo zum Beispiel auf offenen Flächen Wasser versickern kann, gesammelt und dann in den Bewässerungskreislauf zurückgeführt wird. Hier macht man sich auch intelligente Systeme zunutze, wonach nur nach aktuellem Bedarf bewässert wird.

Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

Mehr zu diesem Thema: