Ein Kringel soll die Welt retten

Eine britische Ökonomin stellt das Wirtschaftssystem als Donut dar und fordert damit die klassische Wirtschaftstheorie heraus. Nachhaltige Wirtschaft bedeute, eine Balance zwischen Ökologie und gesellschaftlicher Absicherung zu finden.

Die Weltwirtschaft hat sich seit der letzten Finanzkrise 2008 wieder erholt. Festgemacht wird dies am globalen Bruttoinlandsprodukt. Das BIP sei aber die falsche Kennzahl für wirtschaftliches Wohlergehen, sagt die britische Ökonomin Kate Raworth.

Kate Raworth beim im ORF-Dialogforum „Wem nützt Wirtschaft?“

ORF/Thomas Jantzen

Am 22.4. hielt Kate Raworth eine Keynote beim ORF-Dialogforum „Wem nützt Wirtschaft?“ im Radiokulturhaus in Wien. Am 23.4. ist sie an der Universität für Bodenkultur zu Gast.

Erstmals publiziert hat Kate Raworth ihr Donut-Modell bereits vor fünf Jahren. Im März dieses Jahres ist die deutsche Übersetzung von „Doughnut Economics“ im Hanser Verlag erschienen. Zurzeit weilt sie bei mehreren Vorträgen in Wien.

Wirtschaftslehre für das 21. Jahrhundert

Die klassische Wirtschaftslehre setzt auf monetäre Kennzahlen und die Selbstregulierungskraft des Marktes. Der Markt bringt sich immer ins Gleichgewicht, so die Theorie. Treten Umweltverschmutzungen auf, dann sind das sogenannte „externe Effekte“. Bereits hier setzt Kate Raworth mit ihrem Wirtschaftsmodell an. Der Markt sei nicht eigenständig, sondern eingebettet in eine Umwelt, aus der Ressourcen bezogen und an die Abfälle und Emissionen abgegeben werden.

Eine Volkswirtschaft ist laut Kate Raworth das Zusammenspiel von Markt, Staat, privaten Haushalten und Gemeinwohl. „Bettet man diese Volkswirtschaft dann auch noch in Gesellschaft und Umwelt ein, dann ist das angesichts der aktuellen Wirtschaftslehre bereits ein radikaler Akt“, sagt Kate Raworth schmunzelnd.

Ihr Ökonomie-Modell baut auf dem Konzept der ökologischen Belastungsgrenzen auf, das von einem 28-köpfigen Wissenschaftlerteam unter Leitung von Johan Rockström 2009 in der Zeitschrift „Nature“ publiziert wurde. Die britische Ökonomin, die auch Mitglied des Club of Rome ist, kombiniert diesen Ansatz mit den nachhaltigen Entwicklungszielen der UNO.

Der Donut von Kate Raworth

www.kateraworth.com

Das Ergebnis ist ein Kreis, der von einem größeren Kreis umrahmt wird. Gemeinsam haben sie die Form eines Donuts, also eines runden, frittierten Gebäcks. Der innere Kreis stellt das gesellschaftliche Fundament dar. Es beinhaltet die nachhaltigen Entwicklungsziele der UNO - Zugang zu Wasser, Bildung und Energie, ebenso wie Gleichstellung und politische Teilhabe. Nicht alle Menschen erreichen diesen inneren Kreis, noch immer fallen viele durch das „Loch des Donuts“.

Sendungshinweise

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 23.4., 13:55 Uhr. Das ORF-Dialogforum „Wem nützt Wirtschaft?“ wird am 3. Mai um 23:15 Uhr in ORF III ausgestrahlt.

Der äußere Kreis beschreibt die ökologischen Grenzen des Planeten. Während das gesellschaftliche Fundament global noch nicht erreicht wurde, schießt die Wirtschaft über die ökologische Decke hinaus. Die Folgen der globalen Erwärmung werden immer stärker spürbar, die Artenvielfalt nimmt ab. „Die ökologischen Grenzen unseres Planeten zu schützen, ist Teil des menschlichen Wohlstandes“, so Kate Raworth. „Diese Balance zwischen Ökologie und gesellschaftlicher Absicherung ist für den langfristigen Wohlstand wichtiger als das Bruttoinlandsprodukt.“

Ein neues ökonomisches Basismodell

Das Ziel der Menschheit im 21. Jahrhundert muss sein, in diesen Donut zu kommen. „Wir brauchen Ökonomien, deren Industrie mit und im ökologischen Kreislauf der Erde arbeiten“, so die Ökonomin, die am Environmental Change Institute der Universität Oxford lehrt. „Wo beispielsweise Lebensmittel so produziert werden, dass der Stickstoffkreislauf so wenig wie möglich verändert und Bodenerosionen vorgebeugt wird.“ Gleichzeitig gilt es, Nahrung, sauberes Trinkwasser und Energie für alle Menschen zur Verfügung zu stellen.

Das Donut-Modell wird die globale Wirtschaft nicht von heute auf morgen ändern, das ist Kate Raworth bewusst. Sie will vielmehr das ökonomische Denken verändern. „Es ist eine Designfrage“, sagt sie. Beginnt die Wirtschaftswissenschaft nicht mehr mit dem Angebot-Nachfrage-Modell, sondern setzt auf den Donut als Basismodell, dann könnten darauf aufbauend neue Kennzahlen und Indikatoren für eine nachhaltige Wirtschaft entstehen. Und die Wirtschaftswissenschaften hätten endlich ein Basismodell, das die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts abbildet.

Juliane Nagiller, Ö1-Wissenschaft

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