Tausendfacher Quantenspuk

Was Albert Einstein einst „geisterhafte Fernwirkung“ nannte, ist längst im Laboralltag angekommen. Die Experimente werden immer extremer: Nun haben Physiker 6.000 Atome in den seltsamen Zustand der Verschränkung befördert.

Das große Ziel, das da am Horizont der Forschung leuchtet, heißt „universeller Quantencomputer“. Ein Rechner also, der anstatt mit Nullen und Einsen mit unscharfen Bits, „Quantenbits“, rechnet. Woraus diese Wundermaschine, die selbst heutige Supercomputer locker in den Schatten stellen soll, bestehen könnte, ist nach wie vor unklar.

Ultrakalte Ionen wären eine Möglichkeit: Bei diesem Ansatz hält eine Arbeitsgruppe von der Uni Innsbruck den Weltrekord. Wie Forscher um Rainer Blatt jüngst berichteten, können sie mittlerweile 20 Ionen in den Zustand der Verschränkung befördern - und damit ansatzweise auch rechnen.

Ein unsichtbares Band

„Verschränkung“ heißt: Die Teilchen sind durch ein unsichtbares Band verbunden. Misst man an einem eine Eigenschaft, etwa den sogenannten Spin, ist damit augenblicklich auch der Zustand der anderen bestimmt.

Ein Phänomen, das einst Albert Einsteins Skepsis hervorrief: Das sei, schrieb er, wohl eine „geisterhafte Fernwirkung“. Seine Fachkollegen teilten diese Ansicht nicht. Nach heutiger Auffassung muss man in der Quantenwelt das Konzept lokaler Ursache und Wirkung, so eigenartig es auch klingen mag, aufgeben.

Forscher wie Blatt haben derlei erkenntnistheoretische Zweifel längst abgeschüttelt und kümmern sich um praktische Belange im Labor. Der Ionenfallen-Ansatz der Innsbrucker Physiker ermöglicht hohe Kontrolle über die beteiligten Ionen - eine notwendige Voraussetzung für Rechnungen mit Quantenbits. Er hat aber einen Nachteil: Will man die Zahl der verschränkten Teilchen nach oben schrauben, wird die Sache schnell kompliziert und technisch extrem aufwändig.

Verschränkung im Kollektiv

Eine Alternative stellen nun gleich drei Forschungsgruppen im Fachblatt „Science“ vor. Ihr Ansatz macht von einem anderen, nicht minder sonderbaren Quantenphänomen Gebrauch: das Bose-Einstein-Kondensat. Atome, die sich in diesem Zustand befinden, verschmelzen sie zu einer kollektiven Welle, zu einem Super-Atom. Mit diesem Ansatz kann man deutlich größere Teilchenverbände als mit Ionenfallen herstellen.

Ultrakalte Gaswolken im Labor

Carsten Klempt / Universität Hannover

Geteilte Gawolke: ultrakalte Rudbidum-Atome in einer magneto-optischen Falle

Carsten Klempt von der Uni Hannover hat mit seinem Team 6.000 Rubidium-Atome fast bis zum absoluten Nullpunkt abgekühlt, woraufhin die Atome immer näher zusammenrückten. Bis zur völligen Ununterscheidbarkeit. „Das Problem ist: Sind die Teilchen nicht mehr unterscheidbar, ist auch ihre Verschränkung schwer nachweisbar“, sagt Klempt gegenüber science.ORF.at. Wie der deutsche Physiker mit seinem Team in „Science“ schreibt, gibt es eine Lösung für dieses Problem. Die Forscher teilten die Gaswolke in zwei Teile und richteten die Gruppen zu je 3.000 Atomen entlang eines Magnetfeldes aus.

Dann bestimmten sie bei der einen Wolke den Spin - und wiesen nach: Die Messung hinterließ auch bei der zweiten, unangetasteten Wolke ihre Spuren. Der Spin nahm auch dort Gestalt an, ohne äußeres Zutun. Fazit: Der Quantenspuk ist im tausendfachen Kollektiv angekommen.

Exakt - und ein bisschen magisch

Als nächsten Schritt will Klempt sein System für Präzisionsmessungen der Schwerkraft fit machen. Von Rechnungen, wie sie mit Ionenfallen möglich sind, sind die Forscher zwar noch weit entfernt. Langfristig könnten die ultrakalten Rubidium-Atome jedoch durchaus für Quantencomputer geeignet sein, meint Klempt.

Den Einstein’schen Begriff des „Geisterhaften “ schätzt der deutsche Physiker übrigens nicht besonders. „Das klingt so, als könnten wir das Verhalten der Teilchen nicht exakt beschreiben. Ich gebe zu: Es fühlt sich ein bisschen magisch an - auch wenn es nicht magisch ist.“

Robert Czepel, science.ORF.at

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