Akademiker am Arbeitsmarkt

Ein Studium galt lange Zeit als Jobgarant. Und auch heute schützt Bildung immer noch am stärksten vor Arbeitslosigkeit. Doch im März profitierten Akademiker und Akademikerinnen am wenigsten von der guten Konjunkturlage. Ein Resümee zum 1. Mai.

Das mit Abstand höchste Arbeitslosigkeitsrisiko weisen Personen auf, die keinen über die Pflichtschule hinausgehenden Bildungsabschluss vorweisen können. Im vergangenen Jahr lag ihre Quote bei rund 25 Prozent. Die von Personen mit universitärem Abschluss lediglich bei 3,4 Prozent.

Universitäre Bildungsabschlüsse nehmen zu

Rund 23.000 Personen mit akademischer Ausbildung waren Ende März arbeitslos gemeldet. Die meisten davon in Wien. Jus und Betriebswirtschaft waren mit jeweils rund 1.500 Personen die am stärksten betroffenen Studienrichtungen. Eine Ursache für die relativ konstante Zahl arbeitsloser Akademiker und Akademikerinnen ist die Bildungsexpansion der vergangenen Jahre. Im Studienjahr 2015/2016 gab es um rund 15 Prozent mehr Hochschulabschlüsse als noch im Studienjahr 2011/2012. Konkret schlossen rund 67.600 Studierende 2015/2016 ein Studium erfolgreich ab. Tendenz steigend. Laut Hochschulprognose der Statistik Austria wird die Anzahl der Abschlüsse im Jahr 2035 auf rund 80.000 pro Jahr steigen.

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmete sich am 30.04. um 19:05 Uhr auch eine Dimensionen-Sendung: „Ein Studium ist gut, ein Job noch besser“

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„Die Konkurrenz in diesem Beschäftigungssegment wird dadurch größer und die returns of education, wie man in der Ökonomie sagt, werden deutlich geringer“, erklärt Roland Verwiebe, Professor für Soziologie an der Universität Wien. In den 1990er Jahre konnte man für jedes zusätzliche universitäre Bildungsjahr zwölf Prozent mehr Einkommen erwirtschaften. Mittlerweile liege dieser Bildungsertrag nur mehr bei vier Prozent.

Die Konkurrenz am Arbeitsmarkt steigt

Diese stärkere Konkurrenz am Arbeitsmarkt sei der aktuellen Generation von Studierenden bewusst, ist Verwiebe überzeugt. Sie würde daher bereits früh beginnen, sich auf den Jobeinstieg vorzubereiten. Der lineare Weg, also Matura, universitäre Ausbildung, Jobsuche, würde nur mehr in spezifischen Bereichen wie etwa Medizin, Jus, Lehramt oder Ingenieurswissenschaften gut funktionieren. „Viele junge Menschen steigen eigentlich vorher ein, beginnen also neben dem Masterstudium bereits Teilzeit in Branchen zu arbeiten, die für sie relevant sind.“

Junge Akademikerinnen und Akademiker seien exzellent ausgebildet, so Roland Verwiebe. Sie haben sich auf die Notwendigkeiten eines globalisierten Arbeitsmarktes eingestellt, legen Wert auf Sprachkompetenzen, sowie auf digitale und social skills. „Umso frappierender ist es, dass diese Gruppe der Absolventen größere Schwierigkeiten hat in ein Normalarbeitsverhältnis, also eine entfristete Vollzeitstelle, zu gelangen, als das für frühere Generationen der Fall war.“

Ältere stärker betroffen

Im Vergleich zum Vorjahresmonat verzeichneten Akademikerinnen und Akademiker im März mit 8,8 Prozent den höchsten Zuwachs bei Schulungen in Österreich. Von den aktuell rund 5.700 Schulungsteilnehmern werden jährlich rund 1.000 Personen vom AkademikerInnen Zentrum Wien betreut, eine vom AMS finanzierte Bildungseinrichtung. „Rund 30 Prozent unserer Kundinnen und Kunden sind über 45 Jahre alt“, erklärt Leiter Thomas Wychodil. Angeboten werden in dem Zentrum Universitätskurse mit entsprechendem Zeugnis und ECTS-Punkten. Das Programm wurde gemeinsam mit der Karl-Franzens-Universität-Graz entwickelt und beinhaltet unter anderem Kurse zu Change Management, Projektmanagement und Financial Management.

Gerade für die Gruppe älterer Arbeitsloser sei es schwer, erneut am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, so Wychodil. Das liege einerseits am Senioritätsprinzip, wonach ältere Personen mehr verdienen als jüngere. „Hinzukommt, dass die Halbwertszeit von Wissen in vielen Bereichen abgenommen hat.“ Wissen altert also schneller. Gerade im technischen Bereich gilt es, sich ständig weiterzubilden, um mit neuen Verfahren und Systemen vertraut zu sein.

Durch die Digitalisierung würden zunehmend auch Jobs im Mittelbau wegfallen, und auch der Zuzug von gut ausgebildeten Arbeitskräften aus anderen EU-Mitgliedstaaten sei spürbar. Ein weiterer Grund für die relativ konstante Arbeitslosigkeit bei Akademikerinnen und Akademikern sei der Aufnahmestopp im öffentlichen Dienst. „Denken Sie an die aktuelle Budgetierung, wo weiter darüber nachgedacht wird, bestimmte Positionen nicht mehr nachzubesetzen“, so Thomas Wychodil.

Juliane Nagiller, Ö1-Wissenschaft

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