Herzrhythmusstörungen durch TCM-Substanz

Eine in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) häufig verwendete Arzneipflanze - Evodia rutaecarpa - enthält Untersuchungen zufolge zwei Substanzen, die Herzrhythmusstörungen auslösen können.

Extrakte der Pflanze Evodia rutaecarpa werden in der TCM bei vielfältigen Beschwerden eingesetzt, u.a. gegen Kopfschmerzen und Geschwüre (Ulzera) im Mundbereich, bei Magen-Darm-Beschwerden, Übelkeit, Erbrechen und Menstruationsbeschwerden. Forscher um Steffen Hering vom Department für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Wien untersuchten in Zusammenarbeit mit Pharmazeuten der Universität Basel die Wirkung von Evodia-Extrakten. Die in Basel aus Evodia isolierten Naturstoffe Dehydroevodiamin (DHE) und Hortiamin erwiesen sich als sehr potente Hemmstoffe von Kaliumkanälen im Herzmuskel, den so genannten HERG-Kanälen.

„Werden HERG-Kanäle blockiert, verändern sich die Erregungsabläufe im Herzmuskel, was schwere Arrhythmien - sogenannte Torsade de pointes (TdP) - und Kammerflimmern auslösen und zum plötzlichen Herztod führen kann“, erklärt Hering. Das Entstehen schwerer TdP-Arrhythmien nach Gabe von DHE bestätigten Forscher der Universität Utrecht bei EKG-Untersuchungen an Hunden - ein Modell, das auch zur Prüfung von Arzneimittelsicherheit in der Industrie eingesetzt wird.

Risiko für Herztod

Weiterführende Untersuchungen zeigten, dass die beiden Naturstoffe bereits in sehr geringen Konzentrationen Oszillationen des Membranpotenzials verursachen, die Herzrhythmusstörungen auslösen können. „Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass diese Substanzen beispielsweise in einen Tee aus Evodiafrüchten gelangen. Dies wäre mit einem erheblichen Risiko für die Patienten verbunden“, so Hering. Der plötzliche Herztod könne bereits innerhalb von zehn Minuten nach dem Beginn der TdP-Arrhythmie eintreten. Die auslösende Herzrhythmusstörung sei nur mit Hilfe eines EKG feststellbar und nur dann, wenn der Patient die Klinik noch lebend erreicht. „Auf den Erfahrungsschatz der TCM zu Evodia können wir uns deshalb keinesfalls verlassen“, warnt Steffen Hering.

Für Arzneimittel, die Herzrhythmusstörungen auslösen können, gilt eigentlich, dass vor Verabreichung eine Herzuntersuchung mittels EKG durchgeführt werden sollte, schrieb die Universität. Dies gelte besonders für Patienten mit Herzerkrankungen, um deren Arrhythmierisiko zu bewerten. Besonders prekär sei, dass keine klinischen Studien vorliegen würden, bei denen die Häufigkeit von Herzrhythmusstörungen nach Einnahme von Evodia-Präparaten untersucht wurde.

Zu wenig untersucht

Untersuchungen an der Universität Basel haben zudem gezeigt, dass der DHE-Gehalt von Evodiafrüchten erheblich ist. In welchem Ausmaß diese Substanzen in eine Teezubereitung gelangen, wird derzeit untersucht. Sollten DHE und Hortiamin nachgewiesen werden, ist die Sicherheit von Evodia-Präparaten neu zu bewerten. TCM-Produkte gelangen in Österreich relativ unkontrolliert auf den Markt, dafür ist kein Zulassungs- oder Registrierungsverfahren erforderlich. Über deren mögliche toxische Wirkungen auf den Herzmuskel wissen wir viel zu wenig", erläutert der Pharmakologe.

Erhöhte Wachsamkeit bezüglich möglicher arrhythmogener Wirkungen von Evodia-Präparaten ist gemäß den Studienautoren geboten. „Zum Feststellen arrhythmogener Wirkung stehen uns heute sehr effektive Methoden zur Verfügung. Diese sollten verstärkt für Untersuchungen von Phytopharmaka eingesetzt werden, um deren Sicherheit zu erhöhen“, so Hering.

science.ORF.at/APA

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