Kopfschmerz kam mit der Kälte

Als der frühe Mensch Afrika in Richtung Norden verlassen hat, musste er sich an die Kälte gewöhnen. Diese genetische Anpassung hat laut einer Studie unerwünschte Nebenwirkungen: Sie macht anfälliger für Migräne.

Stress, Hormonschwankungen oder bestimmte Lebensmittel: Die Auslöser für eine Migräneattacke sind vielfältig und noch nicht umfänglich wissenschaftlich geklärt. Die Symptome der neurologischen Erkrankung sind ebenfalls zahlreich. Sie reichen von Lichtempfindlichkeit und Sehstörungen über Übelkeit und Erbrechen bis hin zu pulsierenden, halbseitigen und heftigen Kopfschmerzen. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) steht Migräne an sechster Stelle der am schwersten behindernden Erkrankungen des Menschen.

Global sollen über eine Milliarde Menschen betroffen sein, wobei es im Weltbevölkerungsvergleich Unterschiede gibt: In Europa und Amerika ist Migräne stärker verbreitet als in Afrika oder Asien. Eine mögliche Erklärung dafür liefert das Team um den Evolutionsgenetiker Felix Key vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. So gab es in den vergangenen 50.000 Jahren verschiedene Wanderungsbewegungen, in deren Verlauf Menschen aus Afrika etwa in die kälteren Breitengrade Europas und Asiens umsiedelten. „Diese Kolonisierung könnte durch genetische Anpassungen begleitet worden sein, die den frühen Menschen halfen, mit den niedrigeren Temperaturen umzugehen“, erläutert Genetikerin Aida Andres vom University College London, die die Studie beaufsichtigt hat.

Menschen im Norden öfter betroffen

Zur Überprüfung dieser Vermutung nahmen die Wissenschaftler das Gen TRPM8 in den Fokus, das die Bauanleitung für einen Kälterezeptor ist, der Menschen erlaubt, mit kühlerem Wetter besser umzugehen. Sie entdeckten, dass eine Variante jenes Gens in den vergangenen 25.000 Jahren bei Bevölkerungsgruppen im Norden immer häufiger wurde. Dazu passt, dass den Forschern zufolge nur fünf Prozent der Menschen mit nigerianischen Vorfahren über diese Gen-Variante verfügen, aber 88 Prozent der Menschen mit finnischer Abstammung. Insgesamt nehme der Anteil der Menschen mit dieser Genvariante in höheren Breitengraden und mit kälterem Klima zu. Eben jene Variante wurde von Forschern aber bereits mit Migräne-Kopfschmerzen in Verbindung gebracht.

So vermuten die Autoren der neuen Studie, dass die Anpassung an kalte Temperaturen früher menschlicher Populationen bis zu einem gewissen Grad beeinflusst, wie häufig Migräne heute in den jeweiligen Regionen vorkommt. Die Untersuchung zeige, wie der evolutionäre Druck der Vergangenheit die heutigen Eigenschaften beeinflusst haben könne, erklärt Erstautor Key in einer Mitteilung.

Familiäre Häufung

Migräne kommt allerdings nicht nur in bestimmten Breitengraden häufiger vor, sondern auch in einigen Familien: Auch für diese Tatsache haben Wissenschaftler nun mögliche Antworten in den Genen gefunden. So zeigt eine weitere aktuelle Studie des Teams um Aarno Palotie von der Universität Helsinki und dem US-amerikanischen Broad-Institut in Cambridge, warum manche Familien anfällig für die Kopfschmerzattacken sind und wie die Gene beeinflussen könnten, welche Art der Migräne sie bekommen.

Die Forscher um Palotie untersuchten, ob die Weitergabe von Migräne den Mendelschen Erbregeln folgt, deren Ausprägung also von jeweils nur einem Gen bestimmt wird, oder ob mehrere Gene an der Ausbildung beteiligt sind (Polygenie). Dafür analysierten sie die medizinischen und genetischen Daten von 1.589 Familien, bestehend aus 8.319 Einzelpersonen, bei denen Migräne bekannt war.

Wie die Forscher nun berichten, erhöhten die polygenen Varianten das Risiko, an Migräne zu erkranken, erheblich. Umgekehrt spielten einzelne Gene, also die Ausprägung nach Mendel, eine geringere Rolle als erwartet. Die Stärke der polygenen Varianten sei überraschend gewesen, betont Palotie in einer Aussendung. Laut Palotie sind nun weitere Genomsequenzierungen und größere Studien nötig, um mehr Genvarianten zu finden, die an der Entstehung von Migräne beteiligt sind. Das sei vor allem für die Entwicklung neuer Medikamente wichtig.

science.ORF.at/APA/dpa

Mehr zum Thema