„Krisendetektor“ erkennt Konflikte
Wer auf den Mars will, muss gute Nerven haben. Egal, ob im Raumschiff oder auf der Marsstation: Die Mission ist anstrengend, die Astronauten müssen auf engstem Raum miteinander auskommen und mit Pannen umgehen können, etwa wenn Instrumente nicht einwandfrei funktionieren. „Da kann es natürlich sein, dass der eine oder andere ein bisschen dünnhäutiger wird“, sagt Gernot Grömer vom Österreichischen Weltraum Forum. Grömer führt seit Jahren Simulationen von Marsmissionen durch, zuletzt im Februar im Oman.
Programm warnt, bevor die Stimmung kippt
Dort wurde eine Software der Technischen Universität Graz weiterentwickelt, die Stress und Konfliktpotenzial unter den Astronauten erkennen soll, bevor sich die Teilnehmer überhaupt bewusst sind, dass sich eine schwierige Situation anbahnt. So kann sie vor bevorstehenden Konfliktsituationen warnen.
ÖWF/Florian Voggeneder
Das Projekt MIMIC unter der Leitung von Martin Hagmüller hat bei der simulierten Marsmission im Oman die Besprechungen der 15-köpfigen Crew aufgezeichnet und ausgewertet. Auch die Kommunikation des Teams mit der Expeditionsleitung in Innsbruck wurde analysiert. Der „Krisendetektor“ ist darauf programmiert, in Echtzeit zu erkennen, wann Stress und Anspannung steigen. Analysiert werden unter anderem die Stimmlage, die Satzmelodie und beispielsweise, ob man gepresst spricht oder ob sich die Crewmitglieder gegenseitig ins Wort fallen.
Ö1-Sendungshinweis
Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 28.5., 13:55 Uhr.
Wie treffend die Analysen beim Testlauf im Oman waren, wurde jetzt ausgewertet. Denn zusätzlich zum Computerprogramm hat man die Stimmung in der Crew von Psychologen beobachten lassen und klassische Untersuchungsmethoden wie Fragebögen und Soziogramme eingesetzt, die die Beziehungen der einzelnen Teilnehmer untereinander analysierten. Jetzt hat man die Daten abgeglichen: Beide Untersuchungsmethoden identifizierten dieselben Konflikte und Stresssituationen. Für Gernot Grömer vom Österreichischen Weltraum Forum ist das der Durchbruch: „Die Software ist robust genug, um Stress in der Crew im Vorhinein erfassen zu können. Ein Mensch mit guten sozialen Antennen mag das vielleicht intuitiv erahnen. Hier können wir es wirklich quantifizieren und messen.“
Flugplanung mit Fingerspitzengefühl
Die Harmonie im Team sei relevant für die Effizienz der Mission, sagt Grömer. In der Planung von Langzeitflügen ins Weltall ist daher das schnelle Erfassen von psychischen Stresssituationen sehr wichtig. Darauf wies kürzlich auch die American Psychological Association in einem Artikel hin. Die Umgebung im Weltall mache es schwierig, klassische psychologische Methoden anzuwenden und automatisierte Technologien seien daher unerlässlich, heißt es darin.
Was das in der Praxis bedeutet, erklärt Grömer: „Wenn ich verstehe, in welcher Phase der Mission es am meisten gekriselt hat und welche Gründe das hatte, dann kann ich intervenieren. Wenn wir etwa über Tage hinweg merken, dass es einem Astronauten mit einem Kollegen nicht so gut geht, bevor er es selbst bemerkt, dann können wir die Leute in der Flugplanung so einteilen, dass sie in nächster Zeit weniger miteinander zu tun haben.“ Immer offen kommunizieren könne man das nicht, so Grömer: „Man muss ein sehr gutes Fingerspitzengefühl dafür entwickeln, zu welchem Zeitpunkt man welche Information welchem Besatzungsmitglied zumuten kann.“ Da habe das Österreichische Weltraum Forum in seinen bisher zwölf Marssimulationen schon viel Erfahrung sammeln können.
Katharina Gruber, Ö1-Wissenschaft