Wie Sand im Weltraum rieselt

Am Mittwoch starten drei Astronauten zur Internationalen Raumstation (ISS). Einer von ihnen ist der Deutsche Alexander Gerst, der in einigen Wochen das Kommando übernehmen wird. Neue Experimente stehen bevor - darunter mit rieselndem Sand und leuchtenden Zellen.

Am Pfingstmontag ist eine Antares-Rakete der Raumfahrtfirma Orbital ATK vom US-Bundesstaat Virginia aus in den Weltraum gestartet. Auf ihrer Spitze trug sie einen Nutzlastcontainer vom Typ „Cygnus“. Er brachte Nachschub zur Internationalen Raumstation: Proviant, Treibstoff, Wasser – und Experimente für die nächste ISS-Besatzung, die am Mittwoch von Baikonur aus starten soll.

Zu diesen neuen Versuchen gehört MarconISSta. Raumfahrttechniker der TU Berlin haben dieses Messgerät entwickelt. Es soll prüfen, welche Funkkanäle von Satelliten wie stark genutzt werden – und ob sie sich womöglich gegenseitig stören.

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Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmete sich auch ein Beitrag in der Sendung Wissen aktuell am 5. Juni um 13:55 Uhr auf Ö1.

Rieselt Sand im All?

Gemessen werden soll ab Mitte Juni, wenn sich mit dem Deutschen Alexander Gerst wieder ein europäischer Astronaut an Bord der Station befinden wird. Auf dem Programm stehen dann Versuche aus den Bereichen Gesundheit, Mobilität, Klimawandel und Astronomie.

Dazu gehört auch das Sanduhrexperiment. „Typisch für das Verhalten von Sand ist, dass er unter Schwerelosigkeit nicht zu Boden sackt – denn wenn ich keinen Boden habe, kann ich da auch nicht hin versacken“, erklärt Matthias Sperl vom Institut für Materialphysik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Raumstation ISS, im Hintergrund die Erde

NASA (S132-E-012208)

Auf der ISS wartet auf die Astronautinnen ein dichtes Forschungsprogramm

Ohne Schwerkraft rieselt der Sand eben nicht in der Sanduhr von oben nach unten. Denn: Es gibt kein Unten. Was also tut sich im Innern einer Sanduhr, die schwerelos um die Erde kreist? Die Granulate fallen nicht, sie stoßen zusammen. „Wenn zwei Teilchen kollidieren, verlieren sie Energie“, ergänzt Sperl. Das führe dazu, dass mehrere Teilchen über einen längeren Zeitraum verklumpen. Genauso formen sich aus Staubteilchen im Weltall Planeten. „Teile dieser Abläufe wollen wir mit unseren vergleichsweisen kleinen Experimenten auf der Raumstation verstehen“, so der DLR-Physiker.

Ein Mikroskop für die Schwerelosigkeit

Neben der Sanduhr wird die kommende ISS-Besatzung im europäischen Teil der Raumstation, dem Raumlabor Columbus, in den kommenden sechs Monaten 64 weitere europäische Experimente durchführen.

Dazu gehören auch die Fragen: Wie verhalten sich Zellen in Schwerelosigkeit? Wie wirkt Schwerkraft auf eine Zelle? Was passiert mit Immunzellen in Schwerelosigkeit? „Das sind alles Dinge, die kann ich nur im schwerelosen Raum erforschen. Und dafür muss ich die Technologie in den schwerelosen Raum mitnehmen, weil ich es ja auf der Erde nicht machen kann. Und deswegen haben wir ein Mikroskop gebaut, das so klein und so leicht ist, dass man es in das Weltall mitnehmen kann.“ Anna-Catharina Cartens ist beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Bonn zuständig für dieses Mikroskop. Es trägt den Namen FLUMIAS. Diese Abkürzung steht für Fluorescence-Microscopic Analysis in Space.

Das Besondere an diesem Instrument: Dieses Fluoreszenzmikroskop wird erstmals qualitativ hochwertige, hochauflösende Bilder von lebenden Zellen in 3-D ermöglichen. „Das geht in der Qualität bisher nur auf der Erde; das gibt es auf der Raumstation nicht“, betont Cartens.

Flumias bringt Zellen in der Schwerelosigkeit zum Leuchten

Universität Magdeburg

FLUMIAS bringt Zellen in der Schwerelosigkeit zum Leuchten

Leuchtende Zellstrukturen

Gebaut wurde FLUMIAS vom europäischen Rüstungs- und Raumfahrtkonzern Airbus Defence and Space in Friedrichshafen am Bodensee. Es ist ungefähr so groß wie ein Schuhkarton. Das Besondere an dem weltraumtauglichen Mikroskop: Die Astronauten an Bord der ISS können bestimmte, ausgewählte innere Strukturen einer Zelle mit leuchtenden Farbstoffen markieren. Anschließend werden die Gewebeproben mit einer bestimmten Wellenlänge gezielt beleuchtet. Die untersuchte Zellstruktur leuchtet dann in einer anderen Welle zurück. Eine Kamera nimmt diese leuchtenden Signale auf. „Wir können hinterher an den Bildern sehen, wie sich diese Strukturen von Interesse verhalten haben“, erklärt Cartens.

Wie also reagieren bestimmte Proteine im Innern einer Zelle auf die fehlende Schwerkraft? Um solche Fragen geht es den Wissenschaftlern der Universität Magdeburg, die die biologischen Proben für das Mikroskop beigesteuert haben, die die gemischte amerikanisch-russisch-europäische ISS-Besatzung im Orbit untersuchen wird – ab Ende August oder Anfang September dann unter europäischer Federführung, wenn der Deutsche Gerst als zweiter Europäer Commander der Station werden wird.

Guido Meyer, science.ORF.at

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