Smarte Laternen für 5G

5G gilt als das „nächste große Ding“ im Mobilfunk. Riesige Datenmengen sollen etwa selbstfahrende Autos ermöglichen. Notwendig sind dazu sehr viel mehr Sendemasten als früher. Sie könnten in „smarte Laternen“ stecken, wie sie gerade in Finnland getestet werden.

Der Nachfolger des aktuellen 4G/LTE-Standards heißt 5G – und das steht für „fünfte Generation“. Sie soll eine bis zu 100-mal höhere Datenrate als heutige LTE-Netze bieten und Anwendungen ermöglichen, die aus heutiger Sicht utopisch klingen: etwa Live-TV in Ultra-HD am Handy, autonome Autos, die miteinander „reden“, und Augmented Reality, also die Erweiterung der Realitätswahrnehmung.

Eine der smarten Laternen

LuxTurrim5G

Eine der smarten Laternen

Damit verbunden ist eine Reihe von technologischen und regulatorischen Fragen, an denen IT-Industrie und Regierungen weltweit arbeiten. Eine Herausforderung betrifft die Sendemasten. Denn die höheren Frequenzen der 5G-Technik brauchen viel mehr Antennen als bisher. Wo und wie diese Kleinsendeanlagen („small cells“) im öffentlichen Raum aufgestellt werden sollen, ist eine offene Frage.

“Eine sehr natürliche Idee“

In Espoo, einer finnischen Hi-Tech-Stadt unweit von Helsinki, wird gerade an einer Antwort gearbeitet. „Die 5G-Funkstellen müssen ca. 50 Meter voneinander entfernt sein, d.h. Städte werden eine riesige Anzahl davon benötigen“, umreißt Jussi Varis die Situation. „Es gibt eine sehr natürliche Idee: Es gibt ohnehin so viele Lichtmasten, warum bauen wir keine ‚smarten‘, in die wir die Antennen und anderes einbauen?“

Genau das wird im Rahmen des mit 15 Millionen Euro budgetierten Projekts LuxTurrim5G gerade getan, wie der Projektleiter vom finnischen Technikforschungszentrum VTT gegenüber science.ORF.at erklärt. Prominente Partner – darunter Nokia Bell Labs, VTT und zwei finnische Universitäten – eröffnen gerade ein 5G-Testgebiet in Espoo.

Zwei smarte Laternen sind bereits aufgebaut, etwa zehn sollen es insgesamt werden, die dann von der betroffenen Bevölkerung direkt ausprobiert werden. Kommerzielle 5G-Endgeräte gibt es noch keine, die Forscher wollen deshalb Demogeräte entwickeln, zudem werden die Antennen auch in den aktuell verwendeten, niedrigen Frequenzen senden.

Rendering des 5G-Netzwerkes aus smarten Laternen

LuxTurrim5G

Rendering des 5G-Netzwerkes aus smarten Laternen

Sensoren, Kameras und Infodisplays

Und nicht nur das. Laut Jussi Varis sollen die Laternen nicht nur funken, sondern auch mit Sensoren, Kameras und Infodisplays ausgerüstet sein, die Infos liefern etwa zu Wetter, Luftqualität und Sicherheit. „Außerdem planen wir den Einsatz von Drohnen, die mit den Laternen verbunden sind, und den Verkehr überwachen. Im Winter könnte man so sehen, wo Schnee gefallen ist und wieviel.“ Auf dem Testgebiet in Espoo soll auch ein selbstfahrender Minibus unterwegs sein, der herumfährt und über das 5G-Netzwerk seine Infos bezieht.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichten auch die Ö1-Journale, 11.6., 12:00 Uhr.

science.ORF.at war Teil einer Studienreise, die Ende Mai auf Einladung von Austrian Cooperative Research (ACR) nach Helsinki führte.

„Unser System soll modular sein“, sagt Varis. „Wenn Unternehmen oder Netzbetreiber ein bestimmtes Service anbieten wollen, können sie Platz auf den Laternen kaufen oder mieten und ihre eigenen Sensoren anbringen. Das Laternensystem selbst bietet eine Software-Architektur und ein Interface, das die Daten der Sensoren etwa für Cloud Server sammelt. Wir versuchen, das so breit wie möglich zu denken.“

Noch keine Standardisierung

Eine Technik wie in Espoo - Minifunkmasten auf „smarten Straßenlaternen“ - ist auch in Österreich vorstellbar, heißt es vom zuständigen Infrastrukturministerium. Es betont aber, dass es sich bei 5G um einen internationalen Standard handelt und der Standardisierungsprozess noch nicht abgeschlossen ist – dies sei 2019 zu erwarten. Danach sei davon auszugehen, dass „die Netzwerkarchitektur und die eingesetzte Hardware nicht länderspezifisch unterschiedlich ausschauen wird.“

Eine nicht ganz so smarte Laterne

Lukas Wieselberg, ORF

Jussi Varis selbstironisch: So sehen die smarten Laternen nicht aus

Die 5G-Strategie der Regierung wolle die Errichtung der Kleinsendeanlagen finanziell, verfahrenstechnisch und organisatorisch erleichtern. „Dabei wird zu Gute kommen, dass Leitungsrechte am öffentlichen Gut, wie Straßen, Fußwegen, öffentlichen Plätzen und dem darüber liegenden Luftraum, unentgeltlich und ohne gesonderte Bewilligung für die Errichtung von sogenannten Small Cells auf öffentlichem Eigentum […] umfasst werden sollen“, heißt es in der kürzlich vorgelegten 5G-Strategie der beteiligten Ministerien. Mit anderen Worten: Im öffentlichen Raum werden die Sendeanlagen gratis aufgestellt werden dürfen – im Gegensatz zu den heutigen, viel größeren.

Ministerium: Keine Gesundheitsgefahr

Dass die „smarten Laternen“ ein gesundheitliches Problem für die Benutzer darstellen, glaubt der finnische Projekteiter Jussi Varis nicht. „Die Debatte gibt es, seit es Handys gibt. Es gibt aber bisher keinen Beweis, dass die Strahlen schädlich sind, das wird auch in dem Fall so sein.“ Dennoch würde auch diese Frage im Rahmen des Projekts untersucht werden.

In Österreich, so erklärt das Infrastrukturministerium gegenüber science.ORF.at, „haben die vorgegebenen Grenzwerte unabhängig von der Anzahl der Sendeanlagen zu gelten. Selbst wenn durch die größere Anzahl von Sendeanlagen mehr einzelne Immissionen verursacht werden sollten, sind die Einzelwerte zusammenzurechnen. Die Messungen der verantwortlichen Fernmeldebehörden zeigen, dass die Immissionsbelastung bereits jetzt so gering ist, dass eine Überschreitung der Grenzwerte auch bei noch weiterem Ausbau von 5G ausgeschlossen erscheint.“

Wie auch immer, an den Standards in Technik und Regeln wird weltweit gearbeitet. Im Februar wurden bei den Olympischen Winterspielen in Südkorea laut IOC einige Anwendungen getestet. Und im Mai berichtete ein Telekommunikationsunternehmen in Katar, das erste kommerzielle 5G-Netzwerk in Betrieb genommen zu haben. Der nächste Schritt in Österreich: Im Herbst sollen die ersten 5G-Frequenzen versteigert werden.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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