Brasilien ist statistischer Weltmeister

Wie vor jeder Fußballweltmeisterschaft haben Statistiker auch vor der heute in Russland beginnenden WM den Favoriten ermittelt: Die besten Chancen hat demnach Brasilien, gefolgt von Deutschland.

Auf 16,6 Prozent beläuft sich laut Statistikern der Universität Innsbruck die Wahrscheinlichkeit auf den sechsten WM-Titel Brasiliens. Deutschland folgt mit 15,8 Prozent, auch Spanien und Frankreich haben noch mehr als zwölf Prozent.

„Das wahrscheinlichste Finale mit einer Wahrscheinlichkeit von 5,5 Prozent ist ein Aufeinandertreffen von Brasilien und Deutschland“, erklärt Achim Zeileis, einer der Forscher. Die Brasilianer bekämen demnach also ihre Chance, das blamable 1:7 aus dem WM-Halbfinale 2014 wiedergutzumachen.

Zeileis berechnet gemeinsam mit Kollegen von der Wirtschaftsuniversität Wien schon seit mehreren Jahren Gewinnwahrscheinlichkeiten bei Fußball-Großereignissen. Das Forscherteam greift dabei auf die Quoten von 26 Online-Wettanbietern zurück und kombiniert diese in komplexen statistischen Rechenmodellen.

Uni Münster sieht Brasilien mit 31 Prozent vorne

An der Universität Münster wird derweil auf Grundlage von fußballspezifischen Statistiken an einer Fußballformel getüftelt. Als Grundlage dient die sogenannte Elo-Weltrangliste, die - anders als die bekanntere Fifa-Weltrangliste - Siege gegen starke Mannschaften und souveräne Erfolge mit vielen Toren höher wertet. Dieser Elo-Wert wird mit verschiedenen anderen Kenngrößen ins Verhältnis gesetzt, um die Leistungsstärke einer Mannschaft zu ermitteln.

Das Team um Andreas Heuer hat so gemeinsam mit dem 2016 gegründeten Startup Kickform zuletzt vor allem Spiele der großen europäischen Ligen berechnet - und dabei rund 70 Prozent der Spiele der abgelaufenen Saison in der Tendenz richtig getippt. „Bei knappen Spielen haben wir keine Tippempfehlung abgegeben, bei den anderen erreichen wir diese Quote“, erklärt Kickform-Gründer und Physiker Jörg Heidjann.

Auch die 64 WM-Spiele hat das Team um Heuer seiner Fußballformel unterzogen - und dabei einen klaren Favoriten ermittelt: Brasilien wird nach Schätzung der Münsteraner sogar mit einer Wahrscheinlichkeit von 31 Prozent Weltmeister. Die Wahrscheinlichkeit für die deutsche Titelverteidigung liegt bei diesem Modell bei 17 Prozent - der zweithöchste Wert. Wie die Forscher aus Innsbruck rechnen auch die Wissenschaftler aus Münster damit, dass die beiden Teams im Finale aufeinandertreffen werden.

Aber auch Deutschland favorisiert

Die Elo-Bewertungen haben auch die Wirtschaftsexperten von Deloitte für ihre Prognose genutzt, die Daten aber mit historischen Ergebnissen und den Austragungsorten verrechnet und so eine Torerwartung ermittelt. Sie erwarten mit diesem Modell ein Finale zwischen Deutschland und Brasilien.

Aus der Reihe der statistischen Vorhersagen tanzt der deutsche Statistiker Lorenz Gilch von der Universität Passau. In seinen Berechnungen wird Deutschland mit einer Wahrscheinlichkeit von 31 Prozent neuer Weltmeister, gefolgt von Brasilien, Spanien und Argentinien.

Portugal als Gegenbeispiel

Wie verlässlich diese Ergebnisse sind, wird sich letztlich erst am Ende des Turniers zeigen. Immerhin werden die aktuelle Form und die schwachen Testspiele etwa der Deutschen gegen Österreich (1:2) und Saudi-Arabien (2:1) in vielen Berechnungen nicht berücksichtigt. Auch die genauen Kader der Teams spielen keine Rolle.

„Es gibt eben auch die schönen Ausnahmen im Fußball und die auf dem Zettel schwächere Mannschaft gewinnt das Spiel und holt vielleicht sogar den Titel“, erklärt das Forscher-Team aus Münster. Und es ist noch nicht lange her, dass es für die Zahlenjongleure zu einer solchen Überraschung kam: Die Wahrscheinlichkeit für Portugal als Europameisterschaft 2016 lag bei gerade einmal sechs Prozent.

science.ORF.at/dpa

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