Die Herkunft „magischer“ Wörter

Von „Daumen drücken“ bis „toi, toi, toi“: Die deutsche Sprache ist voll von Redewendungen, die auf alte magische Praktiken verweisen. Eine Grazer Germanistin hat nun über 200 solcher Ausdrücke gesammelt und ihre Herkunft untersucht.

„Der Wortschatz speichert Wissen - in diesem Fall über magische Vorstellungen und Handlungen. Gleichzeitig spiegelt er die Bedeutung wider, die diese in der Gesellschaft hatten“, sagt Ruth Reicher. In ihrer Masterarbeit am Institut für Germanistik der Universität Graz hat die Germanistin rund 200 Beispiele aus dem Bereich des von Magie und Aberglauben geprägten gegenwärtigen deutschen Wortschatzes gefunden, teilte die Universität mit. Oft werden sie dazu verwendet, um Rätselhaftes, Probleme und ihre Lösungen zum Ausdruck zu bringen.

Es brodelt im Hexenkessel

Viele Praktiken, die dahinter stecken, wurden aufgegeben, in den Wörtern und Redewendungen blieb jedoch ihr Erbe gespeichert. Manchmal sind die Wurzeln der sprachlichen Ausdrücke des magischen Wortschatzes deutlich erkennbar: Wenn es beispielsweise im Stadion wie in einem Hexenkessel brodelt. Seit dem 19. Jahrhundert wurde der Ausdruck Hexenkessel in übertragener Bedeutung zur Illustrierung einer erregten Menschenmasse in Anlehnung an das Bild des brodelnden Kessels herangezogen, wie Reicher belegte.

Beim Daumendrücken sind die magischen Quellen nicht auf den ersten Blick erkennbar. Dieser Finger galt laut Reicher bereits in der Antike als Glücksbringer. „Weitere Überlieferungen zufolge schloss man beim Daumendrücken das Böse fest in der Hand ein, damit es keinen Schaden anrichten konnte“, wie die Germanistin schilderte.

Um Dämonen abzuwehren, soll nach alter Ansicht auch das Ausspucken gedient haben. Das heute noch gebräuchliche „toi, toi, toi“ imitiere das Ausspucken lautmalerisch. Was im Volksglauben lange als Schutzhandlung fungierte, wird heute als Glückwunschformel gebraucht.

Aus den Fingern gesaugt

Selbst für die Redewendung „sich etwas aus den Fingern saugen“ ist eine abergläubische Deutung überliefert. „Die Finger wurden in eine magische Flüssigkeit getaucht und dann in den Mund genommen, um die Weisheit in sich aufzunehmen“, beschrieb die Germanistin die mittelalterliche Praxis. Im heutigen übertragenen Sinne bedeutet die Redensart, dass eine Erklärung oder Ausrede spontan frei erfunden wird.

Selbst der Ursprung des Schutzbriefes, wie man ihn beispielsweise aus dem Versicherungswesen kennt, liegt in einer verschriftlichten Zauberformel. „Früher einmal sollten sogenannte Schutzbriefchen - Zettelchen mit Zaubersprüchen - in der Tasche Unglück fernhalten“, so die Germanistin. Sie wurden in versiegelten Glasröhren sicher aufbewahrt - oder gleich verschluckt. Ab dem 16. Jahrhundert trat verstärkt eine christliche und diplomatische Ausprägung von Schutzbriefen als Zusicherung des Schutzes auf.

“Wortschätze“ im Internet

Noch im 18. Jahrhundert soll das Zeitwort „faszinieren“ in der deutschen Sprache in der Bedeutung von „behexen, verzaubern“ gebräuchlich gewesen sein. Im 19. Jahrhundert habe sich die Bedeutung in Richtung „eine anziehende Wirkung haben“ übertragen, wie nunmehr auf der Homepage des Projekts „WortSchätze“ nachzulesen ist.

Reicher hat darin unter der Leitung des Grazer Mediävisten Wernfried Hofmeister das mittlerweile zehnte Wortschatz-Themenfeld erarbeitet. Sprachbilder aus dem Sport, der Wehrkultur, der Religion, Musik, Nahrung, Mathematik, Schrift und dem Theater und Spiel sind ebenfalls bereits abrufbar.

science.ORF.at/APA

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