„Weltraumnation“ hat Staatsoberhaupt

Die „Weltraumnation“ Asgardia ist erst 20 Monate alt und hat doch schon 200.000 Bürger. Am Montag gelobten sie in Wien ihr erstes „Staatsoberhaupt“ an: Unklar blieb, ob es sich dabei um ein exzentrisches Hobby handelt - oder um eine echte Weltraumutopie.

Wenn man schon etwas Umstrittenes und Neues anfängt, dann soll man lieber gleich aufs Ganze gehen - ein bisschen nach der Weisheit von Donald Trump war die Inszenierung daher bei der Angelobung des russisch-aserbaidschanischen Milliardärs Igor Ashurbeyli als Staatsoberhaupt Asgardias groß geschrieben. Am Tag, nachdem das Parlament Asgardias - 150 online gewählte Repräsentanten - das erste Mal zusammengekommen war. Die Wiener Hofburg bot den imperialen Rahmen für einen, wie die meisten Anwesenden hofften, historischen Moment.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 26.6., 12.00 Uhr.

Auf jeden Fall hat sich die asgardianische Elite rund um Ashurbeyli nicht lumpen lassen: Ein Galadinner, Orchestermusik, Tanzeinlagen und Gedenkmünzen haben dabei wohl noch gar nicht so viel gekostet wie die Simultandolmetscher, PR-Leute, Servierpersonal und Techniker, die die Reden und Aufführungen begleiteten.

Bei der Angelobungszeremonie

APA/AFP/Alex Halada

Bei der Angelobungszeremonie

Im Publikum Damen in Ballroben, das Staatsoberhaupt stilgerecht mit goldfarbenen Details am Inaugurationsanzug. Dazu die neue Bezeichnung des ehemals als „Weltraumnation“ bekannten Asgardia - Space Kingdom, also Weltraumkönigreich. Weil die Menschheit seit jeher von einem friedlichen Reich im Himmel geträumt habe, wie Ashurbeyli in seiner Rede erklärt. Zum Abschluss der für Asgardia komponierten monumentalen Nationalhymne wurden dann die Jalousien effektvoll langsam hochgefahren - beinahe Götterdämmerung.

Exzentrisches Hobby Weltraumfriede?

Bei solcher Inszenierung ist es leicht, das Schauspiel als exzentrisches Hobby eines russischen Milliardärs abzutun. Aber Ashurbeyli war nicht alleine in der Hofburg - und ist auch nicht alleine in Asgardia: Mehr als 200.000 Menschen aus mehr als 200 Nationen haben sich online als Asgardianerinnen und Asgardianer registriert und die Verfassung akzeptiert. Manche bringen sich in Foren und Arbeitsgruppen ein, manche zahlen sogar freiwillig Steuern oder spenden.

Zum Beispiel Brigitte Kreisl-Walch aus Innsbruck. Die 70-Jährige ist begeisterte Asgardianerin, verfolgt online alle Entscheidungen mit und spendet monatlich zweistellige Euro-Beträge: „Irgendwann wird es sicher Steuern geben, aber das wird gestaffelt sein, damit nicht jemand aus Burkina Faso zu viel zahlen muss“, meint sie auf die Frage, was das neue Parlament wohl beschließen wird.

Sie moniert, dass nur rund 600 Menschen auch finanziell beitragen - für viele, das ist ihr klar, ist die Staatsbürgerschaft Asgardias ein netter Witz, für sie aber ein wichtiger Schritt in die Zukunft. Eine wichtige Vision dafür, wie die Menschheit ohne Krieg und Gier den Weltraum besiedeln kann. „Ich werde sicher nicht auf den Mond kommen, aber die nächsten Generationen, und wir legen den Grundstein dafür“, meint die Ordinationsgehilfin. Am besten als geeinte Erdnation, anstatt ein neues Rennen um Kolonien wie in anderen Epochen auszurufen - eine Vereinte Nation anstatt die Vereinten Nationen.

Sternenhimmel in der Hofburg

Isabella Ferenci, ORF

Sternenhimmel in der Hofburg

„Nur zwei Prozent Frauen“

Ganz so weit ist Asgardia natürlich noch nicht. Ein Großteil der Asgardianer beim Festakt ist wie auch aus ganz irdischen Staaten gewohnt männlich, gut situiert wie aus einer Industrienation, auch in dieser Hinsicht ein normales Bild von einem Staatsakt. „Ich glaube, wir haben insgesamt zwei Prozent Frauen in der Bevölkerung - sogar mehr Transgender-Personen“, meint sich Frau Kreisl-Walch zu erinnern.

Im Parlament sieht die Verteilung etwas besser aus, aber so richtig repräsentativ für die Erde ist man auch nicht. Jan Henneman, Jurist und Neo-Parlamentarier aus Deutschland, meint, man muss solchen Fragen gegenüber noch offen sein. Asgardia selbst sei offen für alle, man habe Repräsentanten aus unterschiedlichsten Kulturen und sozialen Schichten im Parlament, erklärt auch Christian Böhler, Unternehmer aus der Steiermark und ebenfalls neuer Abgeordneter für die deutschsprachige Welt (Asgardia wählt nach Sprachgruppen, nicht nach geografischer Region).

Auf der Wahlliste wurden übrigens jene Kandidaten vorgereiht, die ihre „Steuern“ bzw. eine Gebühr von 100 Euro bezahlt hatten, erzählt ein Asgardianer aus Amerika, der mit diesem Wissen vier Bekannten zum Wahlsieg verholfen hat. Auch die asgardianische Demokratie entwickelt sich erst - der Zugang zur ersten Parlamentssitzung war Medienvertretern verwehrt. Eine Entscheidung Igor Ashurbeylis, weil man nicht wissen konnte, was passiert, wenn Menschen aus so vielen unterschiedlichen Umfeldern zum ersten Mal zusammenkommen, um eine neue Welt aufzubauen. Man wolle verhindern, dass man sich blamiere, erklärt er.

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APA/AFP/Alex Halada

Igor Ashurbeyli sehr erfreut

Künstliche Schwerkraft und Mondkolonie

Ashurbeyli hat in seiner Antrittsrede angekündigt, binnen 25 Jahren eine Weltraumstation mit künstlicher Schwerkraft in der Erdumlaufbahn und eine Basis auf dem Mond haben zu wollen - dazu Telekommunikationssatelliten, die zum Beispiel die Internetanbindung für die Asgardianer im Weltraum sicherstellen sollen.

Solche Pläne übersteigen aber auch die Mittel von Großfinanciers wie Ashurbeyli, die das Projekt derzeit hauptsächlich tragen. Der gelernte Techniker mit früher hochrangigen Führungsposten in der russischen Rüstungsindustrie hat aus eigener Tasche noch den ersten Satelliten „Asgardia-1“ im September 2017 in die Umlaufbahn gebracht. Dieser ist Datenspeicher für die Bürger und einziges Territorium des selbst ernannten Staates. Aber für Forschung, Entwicklung und Start einer Mondbasis oder Raumstation wird es Zusammenarbeit mit anderen brauchen. Mittlerweile ist daher auch ein Asgardia Venture Fund im Entstehen, geleitet von Ilya Pavlov, einem studierten Physiker und erfahrenen Vermögensverwalter.

In der technokratischen Vision von einem fortschrittlichen Staat ist Expertise gefragt. Technologie und Wissenschaft voranzubringen ist denn auch ein Kernstück des technokratischen Staates Asgardia, erklärt Pavlov - das er nicht als Spaßprojekt sieht. Man will gezielt gute Ideen und Start-ups fördern und Finanzierungspartner suchen, um den Zeitplan einhalten zu können. Was die Nation Asgardia bietet, das eine Stiftung oder eine Unternehmen nicht hat? Ein Netzwerk aus klugen, motivierten Menschen mit vielen Beziehungen, die an die gleiche Sache glauben, erklärt Pavlov.

Inspiration und Zusammenarbeit

Und ein gewisses Händchen fürs Networking hat Igor Ashurbeyli bestimmt. Zwei frühere britische Parlamentsabgeordnete hat Asgardia gewinnen können, dazu Unterstützer aus unterschiedlichsten Bereichen - von Astronauten bis zu Wissenschaftlerinnen. Dass Asgardia den derzeitig noch irdischen Sitz in Wien hat, könnte auch mit der Nähe zur UNO und deren Büro für Weltraumfragen zu tun haben. Außerdem scheinen einige führende russischstämmige Asgardianer mittlerweile in Wien ansässig zu sein.

Was die Nation Asgardia wirklich ist - Zeitvertreib für weltrauminteressierte Reiche, Friedensprojekt, Forschungsprogramm, Geldmacherei oder all das zusammen -, wird sich wohl erst mit der Zeit herausstellen.

Isabella Ferenci, Ö1-Wissenschaft

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