Der Mann, der den D-Day verschob

Die UNESCO ehrt morgen in Paris Walter Munk. Der gebürtige Wiener, heute 100 Jahre alt, war als Meeresforscher an welthistorischen Ereignissen beteiligt - unter anderem an der Landung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg.

Tiefbohrungen in der Erdkruste, Klimaforschung, Arktis-Erkundung - das sind nur einige der wissenschaftlichen Lebensstationen von Walter Munk. Manche Forschungen führten ihn auch in ganz andere Gefilde. Hin zu Ereignissen, von denen später die Historiker berichten sollten.

Ozeanographie als Passion

Ein „Gigant“ der Meereskunde sei Walter Munk, schreibt die UNESCO anlässlich der Verleihung der „Roger Revelle Medaille“. Absehbar war seine Forscherkarriere nicht. Anfang der 1930er Jahre ging er lieber Schifahren als zu lernen - und flog fast von der Schule (Audio: O-Ton Munk im Ö1-Interview vor fünf Jahren).

Und so schickte ihn seine Mutter in die USA. Die Familie folgte, als Hitler an die Macht kam und nach dem sogenannten „Anschluss“ nahm er die US-Staatsbürgerschaft an.

Walter Munk im Jahr 2017

APA/ROLAND SCHLAGER

Walter Munk

Munk forschte am California Institute of Technology, später am Scripps Meeresforschungszentrum in Kalifornien - hier kam er zur Ozeanographie und entwickelte sodann mit seinem Team eine Methode, um Wellen und Brandung vorherzusagen. Zum Einsatz kam das im Zweiten Weltkrieg.

Der D-Day und die H-Bombe

Die Wellenvorhersage diente den Alliierten bei ihrer Landung 1944 in der Normandie. Aufgrund seines Prognosemodells wurde der D-Day um einen Tag verschoben. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Ozeanograph an Atom- und Wasserstoffbombentests der USA beteiligt: „Ivy Mike“ hieß die Operation 1952 am Enewetak-Atoll im Nordpazifik. Die Insel, auf der die Wasserstoff-Bombe entzündet wurde, verdampfte.

Munk sollte den Druck unter Wasser bei der Bombenexplosion messen - dazu saß er auf einer kleinen, schwimmenden Plattform im Meer. Die Beobachtung dieses Ereignisses sei beängstigend gewesen, sagte Munk vor fünf Jahren im Ö1-Interview. Und betonte: „Ich hoffe, dass es nie wieder solche Tests geben wird.“

In der Spätphase seiner Karriere wandte sich Munk dem Einfluss des Klimawandels auf die Meere zu. 2013 erzählte er, damals immerhin 95-jährig, dass er noch einmal in die Antarktis wolle: „Ich würde gerne dorthin. Wir werden sehen.“ Ambitioniert scheint er immer noch zu sein. Morgen wird er - eingeflogen aus den USA - anlässlich seiner Ehrung bei der UNESCO in Paris einen Vortrag halten: über 80 Jahre Meeresforschung.

Barbara Riedl-Daser, Ö1-Wissenschaft

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