Wie Roboter die Medizin verändern

Ein Roboter als Arzt, ein Computerprogramm, das die passende Therapie auswählt - viele Menschen fürchten künstliche Intelligenz in der Medizin. Letztlich stellt die Debatte eine zentrale Frage: Wie viel „Mensch“ braucht es, wenn es um Krankheit und Gesundheit geht?

Er heißt Xiaoyi, ist ungefähr so groß wie ein zwölfjähriges Kind, hat zwei Arme und Beine auf Rollen. Xiaoyi bedeutet im Chinesischen „kleiner Doktor“, und genau das ist er auch: Der freundlich lächelnde Roboter mit den großen Kulleraugen hat als erste Maschine Chinas nationale Zulassungsprüfung für Medizin bestanden. Für Jörg Goldhahn, Mediziner an der renommierten ETH Zürich, ist das ein Zeichen für die enorme Lernfähigkeit künstlicher Intelligenz: „Das sind selbstlernende Systeme, die auch abwägen und die selbst korrigieren können.“ Letztlich beruhe ein großer Teil der Medizin und die Reputation der Ärzte auf Expertenwissen: „Hier sehen wir, dass Technologien in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht haben.“

Der Medizin-Roboter Xiaoyi in einem chinesischen Krankenhaus

APA/AFP/STR

Medizin-Roboter Xiaoyi in einem chinesischen Spital.

Bei der Interpretation von Bildern aus Röntgen oder Magnetresonanz, beim Erfassen von Untersuchungsergebnissen, beim Vorschlagen passender Therapien - Roboter bzw. die sie steuernden Programme sind gegenüber dem Menschen oft im Vorteil. „Sie vergessen nichts, sie lernen mit einer Geschwindigkeit, mit der wir nicht mithalten können, sie pflegen neue Befunde so schnell ein, dass es für uns schlichtweg utopisch ist. Hier erwarte ich auch die größte Umwälzung im Gesundheitswesen“, so Goldhahn im Interview mit Ö1.

Entscheidungen ohne Sympathie

Ö1 Sendungshinweis:

Über das Thema berichtet auch das Mittagsjournal am 13.11.2018.

Veranstaltungshinweis:

„Künstliche Intelligenz, Telemedizin, Robotik & Co“ stehen auch im Mittelpunkt der Veranstaltung "Dr. Digi Rob am 13.11. 2018 im Radiokulturhaus.

Der Roboter, das Computerprogramm werde nicht unbedingt den Arzt an der Uni-Klinik ersetzen, aber in dünn besiedelten Gebieten könnten diese künstlich intelligenten Systeme einen Teil der ärztlichen Arbeit übernehmen. Aber hat Medizin nicht auch viel mit Gefühlen, mit Empathie zu tun - etwas, wozu ein Roboter nicht fähig ist? Das könne man auch umgekehrt sein, so ETH-Experte Jörg Goldhahn: „Man kann auch sagen: Ärzte haben Gefühle, die die Wahrnehmung beeinträchtigen können, sind ganz unterschiedlich zu Empathie fähig, finden manche Patienten sympathischer, andere unsympathisch. Künstliche Intelligenz entscheidet davon unbeeinträchtigt.“

Eines ist für den Mediziner Jörg Goldhahn von der ETH Zürich aber klar: Die letzte Entscheidung muss beim menschlichen Arzt liegen. Das ist auch in China so, wo der kleine Doktor Xiaoyi schon jetzt Patientendaten auswertet und den Ärzten Vor-Diagnosen liefert. Eines aber überfordert ihn jedes Mal: Verläuft eine Behandlung nicht so wie es die Auswertung tausender Studien vorher sagt, weiß er nicht mehr weiter. Mit Überraschungen können seine Prozessoren nämlich nicht umgehen.

Ärztekammer: Ohne Mensch geht es nicht

Karl Forstner, zuständig für Telemedizin in der Österreichischen Ärztekammer, erwartet ebenfalls, dass Computer oder intelligente Systeme die ärztliche Arbeit durch Handlungsanweisungen immer häufiger ergänzen. Aber: „Der Arzt wird nicht ersetzt werden. Die Menschen müssen sich nicht fürchten, dass sie in Zukunft einem Roboter gegenüber sitzen.“ Forstner begründet das im Ö1-Mittagsjournal mit dem sozialen Aspekt des Arztberufes. Und nicht zuletzt auch juristisch: „Wie man einem Patienten zu seinem Recht verhilft, wenn eine autonome Maschine einen Fehler macht - das ist völlig ungeklärt.“

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft/science.ORF.at

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