Forscher fordern „Planetendiät“

In 30 Jahren werden nach Schätzungen bereits zehn Milliarden Menschen leben. Laut neuer Analyse könnten sie sich alle gesund ernähren und dabei Umwelt und Klima schonen. Voraussetzung: Die Ernährung stellt sich weltweit um, wie nun Forscher fordern.

Was wir essen und wie unsere Nahrung hergestellt wird, wirkt massiv aufs Klima. Vor allem vor dem Hintergrund steigender Bevölkerungszahlen werde noch zu wenig darauf Rücksicht genommen, kritisieren nun 37 Mediziner, Ökologen, Klimaforscher, Ernährungs- und Politikwissenschaftler weltweit. Um weltweit die Gesundheit der Menschen sicherzustellen und gleichzeitig das Klima und die Umwelt zu schonen, fordern sie nicht weniger, als dass Menschen weltweit ihre Ernährungsweise ändern und die Produktion von Lebensmitteln komplett nachhaltig wird.

Der Bericht

„Food in the Anthropocene: the EAT–Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems“, „The Lancet“, 16.1.2019

Die „Planetendiät“

  • Rotes Fleisch: 14 Gramm pro Tag
  • Geflügel: 29 Gramm pro Tag
  • Fisch: 28 Gramm pro Tag
  • Eier: 2 kleine Eier pro Woche
  • Gemüse: 300 Gramm pro Tag
  • Obst: 200 Gramm pro Tag
  • Reis, Mais, Weizen etc.: 232 Gramm pro Tag
  • Soja, Linsen etc.: 75 Gramm pro Tag
  • Nüsse: 50 Gramm pro Tag
  • Milchprodukte: 250 Gramm pro Tag
  • Zucker: 31 Gramm pro Tag
  • Fette: 40 Gramm ungesättigte, 11 Gramm gesättigte

Zu den Wissenschaftlern zählt auch Francesco Branca von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). „Das bedeutet, wir brauchen täglich 300 Gramm Gemüse und 200 Gramm Obst und pro Woche eine Portion rotes Fleisch, eine Portion Hühnerfleisch und eine Portion Fisch“, erklärt der Mediziner das Resultat aus mehreren Untersuchungen weltweit.

Doppelt so viel Gemüse, halb so viel Fleisch

Dadurch würde sich global der Konsum von Gemüse und Obst verdoppeln, ebenso wie der Verzehr von Nüssen und Hülsenfrüchten. Der Fleischverbrauch würde sich wiederum halbieren, ebenso wie jener von Zucker. Dabei ist es von Land zu Land unterschiedlich, wie viel Fleisch beispielsweise reduziert werden muss. Denn während etwa in Nordamerika sechsmal so viel Fleisch konsumiert wird wie empfohlen, essen Menschen in Südasien zu wenig Fleisch, so die Analyse. „Wir brauchen hier einen Ausgleich. Manche müssen weniger Fleisch essen, manche mehr. Es geht dabei nicht darum, Fleisch generell zu verbieten“, erklärt Branca.

Würden sich alle Menschen nach den empfohlenen Kriterien ernähren bzw. ernähren können, würde das nicht nur die Gesundheit der Menschen weltweit positiv beeinflussen. Auch die Umwelt könnte davon profitieren. Durch die globale Ernährungsumstellung könnte ein Teil der Futtergetreidefelder wieder für Gemüse und Hülsenfrüchte verfügbar werden, und Fruchtfolgen von Getreiden und Hülsenfrüchten könnten die Böden besser mit Nährstoffen versorgen.

Grafik zu den Ernährungsempfehlungen

The Lancet

Die Ernährungsempfehlungen der Forscher

Zudem seien Forscher gefragt, Technologien zu entwickeln, mit deren Hilfe weniger gedüngt und Wasser verbraucht wird. Weitere Forderungen richten sich an ein umweltfreundlicheres Gewässer- und Fischereimanagement. So sollen beispielsweise nachhaltige Aquakulturen ausgebaut und Fischereizonen im offenen Meer eingeschränkt werden.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichten auch die Journale am 17.1.2019, 7.00 Uhr.

„Außerdem muss sich der weltweite Lebensmittelabfall halbieren“, so Branca. Während in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen der Großteil des Mülls schon bei der Produktion anfällt und auf eine schlechte Ernteplanung und eine schlechte Infrastruktur zurückzuführen ist, landet in Industrieländern in den Haushalten zu viel Essen im Müll.

Globale Debatte als erster Schritt

Wie all das umzusetzen ist? In einem ersten Schritt hoffen die Forscher auf eine globale Debatte. „Wir brauchen diese Debatte unter Politikern, wir brauchen aber auch Forscher, die die Richtung vorgeben, wie dieser Systemwandel funktionieren könnte.“

Auch wenn einiges aus dem Bericht schon länger bekannt ist und nur wenig umgesetzt wird, ist Branca zuversichtlich, dass er und seine Kollegen mit dieser Metaanalyse eine ähnliche globale, politische Debatte anstoßen können, wie sie im Bereich der Energiewende stattgefunden hat. „Die globale Klimapolitik hat zwar einige Rückschläge einstecken müssen, dennoch gibt es Fortschritt im Bereich der erneuerbaren Energie. Jetzt liegt es am Lebensmittelsektor aktiv zu werden. Ich denke, wir müssen optimistisch sein.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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