Sensor erkennt Depressionen von Kindern

Angststörungen und Depressionen bei Kindern besser erkennen - das verspricht ein neuer Sensor, der winzige, für die Krankheiten typische Bewegungsmuster erkennt. Die Technik könnte künftig herkömmliche Diagnosemethoden unterstützen, erklärt ein Wiener Experte.

Dass sich Kinder im Dunkeln fürchten oder sich in den ersten Tagen im Kindergarten nicht von den Eltern trennen wollen oder dass Schüler in der Schule ein bisschen Angst vor einem Referat haben, ist grundsätzlich normal. Bei manchen Kindern und Jugendlichen verschwinden solche Ängste allerdings nicht, sondern werden mehr und nehmen ein untypisches Ausmaß an. Eine unter Umständen zugrundeliegende Angststörung zu erkennen, ist für Außenstehende aber oft schwer.

Antriebslos, reizbar, defensiv

„Es gibt durchaus Symptome. Bei der Angststörung zeigen Kinder ein starkes Vermeidungsverhalten. Sie ziehen sich dann mehr zurück und vermeiden soziale, aber auch angstauslösenden Situationen, was einem dann auffällt“, erklärt der Wiener Kinderpsychiater Paul Plener von der Medizinischen Universität Wien.

Depressionen machen sich wiederum ähnlich wie bei Erwachsenen durch Antriebslosigkeit, gedrückte Stimmung, Schlafstörungen sowie Konzentrationsschwierigkeiten bemerkbar. „Je jünger die Kinder aber sind, desto eher zeigt sich eine Depression durch eine reizbare Stimmung und häufig mit starken Stimmungswechseln. Grundsätzlich sind Depressionen im Kindesalter aber seltener.“

Je nach Erhebung schwanken die Zahlen der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Laut einer Erhebung im Jahr 2017 in Österreich zeigte sich ein Prozent der 3.600 befragten Schüler und Schülerinnen im Alter zwischen zehn und 18 zum Zeitpunkt der Befragung depressiv und zehn Prozent litten an einer Angststörung. Bei den 18-Jährigen hatten drei Prozent irgendwann in der Vergangenheit eine Depression, 15 Prozent eine Angststörung. „Diese Zahlen sind durchaus mit Zahlen aus anderen Nationen vergleichbar. Auch hier zeigt sich, dass Angststörungen die häufigste psychische Erkrankung unter Kindern und Jugendlichen sind.“

Sensor misst winzige Bewegungen

Diagnostiziert werden diese Erkrankungen üblicherweise durch eine Art Frageverfahren, bei dem Eltern und unter Umständen auch die Kinder selbst einen Fragebogen ausfüllen und von Psychologen interviewt werden. Auch in der Schule bzw. dem Kindergarten wird nachgefragt, so Plener. „Die Kinder- und Jugendpsychiatrie baut darauf, aus unterschiedlichen Quellen Informationen zu bekommen.“

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in „Wissen aktuell“ am 17.1.

Eine weitere Quelle könnte künftig ein Bewegungssensor sein. Einen solchen haben nun Forscher in den USA programmiert und mit rund 60 psychisch beeinträchtigten wie gesunden Kindern im Alter von drei bis sieben Jahren getestet. Die Forscher haben den Kindern den Sensor um die Hüften gebunden und sie in einen halbdunklen Raum geführt. Dort stand ein verdecktes Terrarium. Als der Versuchsleiter das Tuch herunterzog, kam eine Schlange zum Vorschein - allerdings nur eine Spielzeugschlange aus Plastik. Wie der Sensor bzw. der Algorithmus erkannte, nähern sich Kinder mit einer Angststörung oder Depression dem Terrarium in den ersten Metern entscheidend anders. „Das sind keine Bewegungsmuster, die man von außen sehen könnte. Sie sind ganz diskret und können nur mithilfe von maschinellem Lernen ausgewertet werden.“

Dieses Verfahren wäre aber noch nicht in der Praxis einsetzbar, macht Plener deutlich. „Es ist eine Eins-zu-Eins-Situation, die hochaufwendig ist und damit ungeeignet, um dieses Verfahren in der Masse einzusetzen. Es ist sicher ein erster Schritt bzw. ein interessanter Ansatz in diese Richtung zu gehen, aber es gibt keine große Überlegenheit gegenüber den bekannten Screening-Verfahren.“

Auch für Suizidforschung denkbar

Denkbar wäre es aber, dass solche Verfahren, die auf bestimmte Bewegungsmuster achten, künftig in den Diagnoseprozess von psychischen Erkrankungen miteinbezogen werden - etwa über Armbänder mit Sensoren. Forschung in diese Richtung gibt es aktuell viel, berichtet Plener. Etwa im Bereich der Suizidforschung. „In der Suizidprädiktion hat sich in den letzten 50 Jahren trotz aller Bemühungen und Studien leider wenig weiter bewegt.“ Nun ist die Idee, Körpersensoren wie Bewegungs- oder Pulssensoren zu verwenden und auch Apps auf Smartphones einzusetzen, um Suizidgedanken besser erkennen zu können. „Es geht aber bei all diesen Ansätzen immer darum, mehrere Komponenten zu kombinieren. So wird das auch massentauglicher.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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