Was Professoren glauben, spiegelt sich in Noten wider

Ist Intelligenz angeboren oder erlernbar? Egal, was darauf die richtige Antwort ist: Professoren sollten lieber denken, dass man Intellekt entwickeln kann – denn dann sind ihre Studierenden motivierter und erbringen bessere Leistungen.

Die Sozialpsychologinnen Mary Murphy und Elizabeth Canning von der Indiana University haben über zwei Jahre hinweg Daten von mehr als 15.000 Studierenden sowie 150 Professorinnen und Professoren ausgewertet, die an US-Universitäten Kurse in den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) besuchten bzw. leiteten.

Die Lehrenden wurden gefragt, ob sie meinen, dass Intelligenz angeboren ist oder dass man an den intellektuellen Fähigkeiten arbeiten kann. Außerdem wurden die Erfahrungen der Studierenden und ihre Noten in diesen Kursen erhoben. Die Studie zeigt: Wenn Professoren denken, dass Intelligenz angeboren und wenig veränderbar ist, wirkt sich das negativ auf das Lernklima und die Motivation sowie auf die Noten aus. „Die Studierenden haben signifikant bessere Noten, wenn ihre Professoren glauben, dass man Intelligenz entwickeln kann“, so Studienautorin Canning in einer Aussendung.

Auch in den Kursbewertungen durch die Studierenden spiegelt sich die Denkweise der Lehrenden wider. Jene Professorinnen und Professoren, die an die Formbarkeit des Intellekts glauben, gestalteten ihre Kurse demnach deutlich motivierender: „In diesen Kursen hatten die Studierenden das Gefühl, den Professoren liege ihr Lernfortschritt und ihre Entwicklung am Herzen und sie fühlten sich ermutigt, ihr Bestes zu geben – diese Kurse waren deswegen aber nicht einfacher oder weniger zeitaufwendig“, so Canning. Professoren, laut denen Intelligenz angeboren ist, hätten ihre Studierenden hingegen demotiviert, etwa indem sie ihnen nahelegten, Kurs abzubrechen, wenn sie deren Inhalte nicht sofort verstanden.

Ethnische Minderheiten besonders betroffen

Dieser Einfluss der Professoren auf den universitären Erfolg ist bei Studierenden aus ethnischen Minderheiten besonders hoch, wie die Studie zeigt. Schwarze, Latinos und Native Americans würden aufgrund struktureller und sozioökonomischer Faktoren in den MINT-Fächern generell schlechter abschneiden als ihre weißen und asiatischen Studienkollegen, so die Autorinnen. Wie die Studie zeigt, verstärkt die Einstellung der Lehrenden diese Ungleichheit noch. Denn wenn Professoren an angeborene Klugheit glauben, dann ist der Notenunterschied zwischen Studierenden ethnischer Minderheiten auf der einen und Weißen sowie Asiaten auf der anderen Seite fast doppelt so hoch wie in Kursen von Professoren, die Intelligenz für erlernbar halten.

Die Lehrenden wurden in der Studie nicht direkt gefragt, ob sie glauben, dass Studierende ethnischer Minderheiten weniger talentiert sind – indirekt spiele aber wohl das Vorurteil mit, dass weiße oder asiatische Studierende mehr Talent für Naturwissenschaften hätten, schreiben die Autorinnen.

Bewusstsein schaffen

Gerade in den USA gibt es viele Bemühungen, den Anteil von ethnischen Minderheiten an den Universitäten, vor allem in den sogenannten MINT-Fächern, zu erhöhen. Die Studie zeige nun, dass man dabei nicht nur bei den Studenten, sondern auch bei den Lehrenden ansetzen sollte, so Murphy: „Die Professoren haben es in der Hand, die Motivation, das Engagement und die Leistung der Schüler zu beeinflussen“, und dafür müsse man sie in der Ausbildung sensibilisieren. Der Einfluss ihrer Einstellung auf die Leistung zeigte sich in der Studie vor allem bei Erstsemestrigen – und gerade in dieser Zeit entscheide sich oft der weitere Studienverlauf.

Julia Geistberger, science.ORF.at

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