„Ein Backup für später“

Frauen in industrialisierten Ländern werden immer später Mütter. Je älter eine Frau, desto geringer die Chancen, auf natürlichem Weg schwanger zu werden. In Großbritannien lassen manche Frauen ihre Eizellen einfrieren – Garantie auf ein Kind gibt es dennoch nicht.

Ausbildung, Beruf, kein oder der falsche Partner – es gibt viele Gründe, warum Frauen in Großbritannien sich Eizellen entnehmen und für eine spätere Befruchtung einfrieren lassen. Rein technologisch habe man in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, sagt die Medizinerin Joyce Harper vom University College London. Sie war anlässlich des Kongresses der European Society of Human Reproduction and Embryology in Wien: „Durch die technologischen Fortschritte der letzten Jahre haben wir nun eine Möglichkeit für Frauen, die – aus welchen Gründen auch immer – den Kinderwunsch auf später verschieben wollen.“

Frostschutzmittel schützt vor dem Platzen

Die Eizelle ist eine relativ große Körperzelle mit viel Wasser in ihrem Inneren. Das macht das Einfrieren schwierig – denn Wasser dehnt sich aus, die Zelle kann platzen. Heute ersetzt man das Wasser durch ein medizinisches Frostschutzmittel. Es bildet sich eine zähe Flüssigkeit ohne Eiskristalle und Ausdehnung. Mit dieser Technologie überleben nicht nur die Zellen länger, es kommen auch mehr Kinder auf die Welt, so Joyce Harper.

Ein Baby im Bett

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Viele Frauen empfinden es als „Beruhigung“, Eizellen eingefroren zu haben - sollte später der Kinderwunsch doch noch groß werden.

Aber: Es gibt einige kritische Faktoren, etwa das Alter. Idealerweise lassen junge Frauen Mitte 20 ihre Eizellen einfrieren. In Großbritannien sind die meisten Frauen zum Zeitpunkt des „freezing“ um die 35 Jahre alt – zu diesem Zeitpunkt sinkt aber bereits die Qualität der Eizellen. Frauen müssen Hormone nehmen, um mehr Eizellen zu produzieren. Die Behandlung ist anstrengend, manchmal schmerzhaft und immer teuer. Für Behandlung und Entnahme der Zellen muss man mit 5.000 Euro Kosten rechnen, meist sind zumindest zwei Zyklen nötig. Und: Es gibt auch hier keine Garantie auf ein Kind: „Das Einfrieren von Eizellen ist ein Backup für Frauen, die für Kinder noch nicht bereit sind oder den richtigen Partner noch nicht gefunden haben. Aber es ist kein Garantieschein für einen erfolgreichen Weg zu Mutterschaft.“

Mindestens ebenso wichtig wie eine technologische Lösung seien gesellschaftliche Veränderungen, so Harper: „Viele industrialisierte Länder sollten dringend für bessere Kinderbetreuung und familienfreundliche Arbeitszeiten für Frauen und Männer sorgen.“

Nur wenige nutzen die Eizellen

Genauso nehmen britische Frauen die Möglichkeit auch wahr, das zeige eine Studie, an der Joyce Harper selbst beteiligt war. Sie empfinden es als beruhigend, dass es die Eizellen gibt – auch wenn nur ein geringer Prozentsatz sie später tatsächlich braucht. In Großbritannien sind es knapp zehn Prozent.

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Diesem Thema widmeten sich auch die Journale: 4.7., 12 Uhr.

Eine belgische Studie kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Das Brüsseler Zentrum für Reproduktionsmedizin hat 562 Frauen befragt, die im Zeitraum 2009 bis 2017 ihre Eizellen einfrieren ließen. Demnach ließen nur sieben Prozent die Zellen auftauen, befruchten und übertragen. Sie waren dann im Mittel 42 Jahre alt. Die Angst vor sehr alten Müttern ist aus Harpers Sicht unbegründet: Das Risiko für Mutter und Kind wäre zu hoch. Und es gebe abseits spektakulärer Einzelfälle, über die dann weltweit berichtet wird, kaum Frauen jenseits der 50 mit so stark ausgeprägtem Kinderwunsch.

In Österreich nicht erlaubt

In Großbritannien darf jede Frau eigene Eizellen entnehmen und einfrieren lassen – aufgehoben werden sie allerdings maximal zehn Jahre. Diese Frist bezeichnet die britische Medizinerin Harper als „vollkommen willkürlich“, sie plädiert für eine Verlängerung auf 20 Jahre. In Österreich ist das Einfrieren von Eizellen nur dann erlaubt, wenn durch eine schwere Krankheit wie Krebs und Chemotherapie die Eierstöcke zerstört werden könnten. Viele Frauen weichen deshalb ins Ausland aus – konkrete Zahlen gibt es dazu aber nicht.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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