Rohstoffsuche gefährdet Tiefsee

In der Tiefsee, in mehr als 1.000 Meter Meerestiefe, existiert ein vielfältiges Ökosystem. Dieser Lebensraum könnte schon bald bedroht sein. Denn immer mehr Nationen suchen dort nach wertvollen Rohstoffen, wie die Umweltorganisation Greenpeace aktuell kritisiert.

Manganknollen, die auf dem Meeresgrund in der Tiefsee liegen, haben sich über Millionen von Jahren entwickelt. Die Klumpen, die etwa die Größe eines Krautkopfs haben, sind eine begehrte Rohstoffquelle. Sie enthalten bis zu drei Prozent Kupfer, Nickel und Kobalt. Vor allem auf Kobalt haben es Industrieländer weltweit abgesehen.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Journal um 8 Uhr, 3.7.2019.

Tiefseebergbau für Handy und Lapotop

Kobalt ist ein sehr seltenes Metall, das für Lithium-Ionen-Akkus gebraucht wird, die in Smartphones, Laptops und Elektroautos stecken. Wegen seiner strategischen Bedeutung für die Wirtschaft hat die Europäische Union Kobalt als kritischen Rohstoff eingestuft. Manganknollen in der Tiefsee abzubauen, hätte gravierende Folgen für dieses Ökosystem, kritisiert die Umweltorganisation Greenpeace in ihrem aktuellen Bericht zum Tiefseebergbau.

Vor allem der Tiefseeboden würde durch solche Schürfaktivitäten bedroht, sagt der Meeresbiologe Gerhard Herndl von der Universität Wien. Dort leben Mikroorganismen an der Oberfläche des Bodenschlamms, die eine Art Filtrierfunktion für das Wasser übernehmen. Für das Schürfen werde eine Art Mähdrescher verwendet, der vorne einen Staubsauger hat, mit dem die Manganknollen aufgenommen werden. „Der ganze Boden wird damit aufgesaugt, auch die kleinen Lebewesen, die dort leben“, sagt Herndl. Dabei werden Sedimente aufgewirbelt, die langsam wieder auf den Boden absinken und dort lebende Organismen bedecken, die deswegen absterben.

Regeneration dauert zu lange

Auf dem Grund der Tiefsee, in mehr als 1.000 Metern Tiefe, ist es kalt, es hat zwischen null und zwei Grad Celsius. Dorthin dringt so gut wie kein Sonnenlicht vor und der Sauerstoffgehalt liegt nur bei rund drei Prozent. Die Organismen, die dort und im Wasser darüber leben, sind genau auf diese Lebensumstände spezialisiert. Sie wachsen sehr langsam, werden dafür sehr alt und groß.

„Das ist auch eines der großen Probleme des Bergbaus in der Tiefsee, dass diese Organismen sich nicht rasch regenerieren können“, betont Herndl. Durch den Tiefseebergbau würde nicht nur der Lebensraum der Bodenbewohner zerstört, auch die Tiere in der sogenannten Wassersäule darüber - Plankton, Fische, Kalmare und Korallen - wären dadurch bedroht. „Hier findet ein Austausch statt, wo Stoffkreisläufe passieren, wo aus der Wassersäule Nahrungspartikel zum Boden rieseln, die dann von diesen Organismen aufgenommen werden und andererseits kommen auch wieder Organismen der Wassersäule und beweiden den Boden“, erläutert Herndl. Dieses hoch spezialisierte Ökosystem sei akut in Gefahr.

Meeresschutzabkommen gefordert

Die Internationale Meeresbodenbehörde ISA hat bereits 29 Explorationslizenzen für Tiefseebergbau an Firmen aus verschiedenen Ländern ausgegeben, darunter auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Diese Lizenzen umfassen ein Gebiet von rund einer Million Quadratkilometern im Pazifik, Atlantik und Indischen Ozean - eine Fläche rund elfmal so groß wie Österreich, wie Greenpeace festhält. Die Umweltorganisation plädiert an die Politik, die ökonomischen Interessen hintanzustellen und ein internationales Hochseeschutzabkommen anzustreben. Das könnte das wenig erforschte Ökosystem der Tiefsee langfristig schützen.

Marlene Nowotny, Ö1-Wissenschaft

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