Japan erlaubt Mensch-Tier-Mischwesen

Tiere, in denen menschliche Organe wachsen: ethisch umstritten, in Zukunft für Patienten, die auf Organspenden warten, vielleicht aber ein Segen. Einen Schritt in die Richtung macht nun Japan, wo erstmals die Geburt von Mensch-Tier-Mischwesen erlaubt wurde.

Das japanische Wissenschaftsministerium gab vergangene Woche bekannt, entsprechende Forschungsvorhaben ab sofort zu unterstützen – bisher waren sie in Japan verboten wie in den meisten anderen Ländern. Erster Profiteur der Regelung ist der Biomediziner Hiromitsu Nakauchi, der Arbeitsgruppen an den Universitäten Stanford und Tokio leitet. Seine Vision sind Tiere, die als menschliche Ersatzteillager dienen.

„Wir erwarten nicht, sofort menschliche Organe zu schaffen“, sagte Nakauchi gegenüber der japanischen Zeitung „Asahi Shimbun“. Die neue Gesetzeslage erlaube es aber, die schon bisher gemachte Forschung zu intensivieren.

Bei Nagern erfolgreich ausprobiert

Das Vorhaben ist theoretisch sehr einfach: Die Forscher stellen ein Tierembryo her, dem die Gene für ein bestimmtes Organ – etwa Bauchspeicheldrüse, Leber oder Niere – fehlen. Dann injizieren sie menschliche Zellen, die sich in fast alle Zelltypen verwandeln können („iPS-Zellen), in den Embryo. Wenn sich das Tier entwickelt, verwendet es die menschlichen Zellen zur Bildung des gewünschten Organs – so weit die Theorie.

In der Praxis gelang es Nakauchi und Kolleginnen 2017, iPS-Zellen von Mäusen in Rattenembryonen einzusetzen. Sie bildeten nach der Geburt wie erhofft eine Mäusebauchspeicheldrüse, die später in eine Maus transplantiert wurde und dann ein Jahr lang funktionierte.

Ähnlich will das Team um Nakauchi nun auch mit menschlichen Zellen vorgehen. In einem ersten Schritt sei nicht geplant, dass die Mensch-Tier-Mischwesen ausgetragen werden, betonen die Forscher. Sie wollen die Mensch-Maus- bzw. Mensch-Ratte-Embryonen zuerst rund zwei Wochen wachsen lassen – so lange, bis sich die meisten Organe gebildet haben – und diese dann genau untersuchen. Danach wollen sie Hybridembryonen auch in Schweinen wachsen lassen.

2017 berichteten Forscher __in "Cell"(http://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(16)31752-4)__ von Ratten-Stammzellen, die in die Herzen von Mäuse-Embryonen eingsetzt wurden

Salk Institute - Cell

2017 berichteten Forscher in „Cell“ von Rattenstammzellen, die in die Herzen von Mäuseembryonen eingesetzt wurden

Gegen „Frankenstein-Forschung“

Im nächsten Schritt sollen dann tatsächlich Mensch-Tier-Wesen auf die Welt kommen, die menschliche Bauchspeicheldrüsen tragen. Schon während der Schwangerschaft, aber auch nach der Geburt wollen die Forscher kontrollieren, ob die menschlichen Stammzellen nicht nur das gewünschte Organ erzeugen, sondern sich auch anderswo im Körper der Tiere verbreiten. Genau das wäre nämlich eine – auch von den Forschern gefürchtete – „Frankenstein-Vorstellung“.

Sollten sie etwa im Gehirn der Nager mehr als 30 Prozent menschliche Zellen entdecken, würden sie die Experimente sofort beenden, hieß es in “Asahi Shimbun“. Die ausgetragenen Embryonen würden später auch getötet, erklärte eine Sprecherin des japanischen Wissenschaftsministeriums auf Nachfrage der dpa. Echte Mensch-Tier-Schimären seien nicht Ziel der Forschung und ausdrücklich verboten.

Rein technisch ist ein solches Resultat mit der beschriebenen Methode auch sehr unwahrscheinlich. Im Vorjahr berichtete Nakauchi bei einer Konferenz vom ersten geglückten Mensch-Schaf-Hybriden, der nach der damaligen Gesetzeslage nach 28 Tagen zerstört werden musste. Wie Analysen ergaben, enthielt der Embryo nur äußerst geringe Mengen menschlicher Zellen, das Verhältnis zu den Schafzellen lag bei 1:10.000 oder höher. Offenbar unterscheiden sich die Arten so stark voneinander, dass die fremden – menschlichen – Stammzellen abgestoßen werden. Ein Problem, das man gentechnisch umgehen könnte, wie Nakauchi glaubt. Ein Tier mit einem Menschengesicht werde aber niemals geboren, so der Biomediziner pointiert.

Bioethiker Körtner: „Nicht pauschal verdammen“

Dennoch sind viele Menschen derartigen Mischwesen gegenüber sehr skeptisch. Der Bioethiker Ulrich Körtner von der Universität Wien hat beim Fall von Nakauchi keine grundsätzlichen Bedenken – und zwar, „weil es sich bei diesen Mensch-Tier-Hybriden nicht um werdende Menschen mit Menschenwürde handelt“, so Körtner gegenüber science.ORF.at. „Allerdings stellt sich die Frage, wie sich sicherstellen lässt, dass im Verlauf der Embryonalentwicklung keine menschlichen Zellen in das Gehirn dieser Mischwesen eindringen und sich kein Gehirn mit menschlichen Eigenschaften entwickelt. In diesem Fall wäre meines Erachtens eine ethisch zulässige Grenze überschritten. Die Erzeugung von Mensch-Tier-Hybriden wirft aber auch eine Reihe von tierethischen Fragen auf.“

Der Bioethiker plädiert dafür, die Entwicklung wachsam zu beobachten, aber nicht pauschal zu verdammen. „Die Erzeugung von Mischwesen, deren Gehirne menschliche Eigenschaften entwickeln (können), ist und bleibt allerdings ebenso wie die Einsetzung von menschlichen Embryonen in einen tierischen Uterus oder eines tierischen Embryos in eine menschliche Gebärmutter ethisch unzulässig.“

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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